Der steirische Wirtschaftskammerpräsident und Chef des ÖVP-Wirtschaftsbundes, Josef Herk, hat einigen Erklärungsbedarf.

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Tu felix Stiria. Du glückliche Steiermark, an dir sind all die Diskussionen um Privilegien, Vetternwirtschaft, Postenschiebereien scheinbar spurlos vorübergegangen. Zumindest, so wie jetzt aufgepoppt ist: im steirischen ÖVP-Wirtschaftsbund (WB) und der Wirtschaftskammer (WK).

Dem STANDARD liegen detaillierte schriftliche – anonymisierte – Auskünfte aus der Kammer und dem Wirtschaftsbund vor, die ein erhellendes Sittenbild der Kammer und des Wirtschaftsbundes als Selbstbedienungsladen für die Führungsetage zeichnen. Da ist von Sonderdotierungen für Wirtschaftskammer- und Wirtschaftsbundchef Josef Herk – er ist dies in Personalunion – die Rede, von präsidialen, teuren Essensrunden, schönen Aufsichtsratsposten für die Gattin des Präsidenten, schweren Dienstkarossen plus Chauffeuren und intern kritisierten überdimensionierten "Protzbauten", die geplant seien.

Entsprechende Anfragen des STANDARD bei der WK und WB-Spitze hatten dieser Tage eine Krisensitzung in der Kammer zur Folge. Man sah sich gezwungen, all die Fragen nun öffentlich zu beantworten, zumal die unteren Ebenen, die Bezirks- und Spartenobleute, von den generösen Zahlungen an die Chefetage, die sich diese quasi selbst genehmigt hatten, bisher nichts wussten und dies nun ruchbar wurde. Berichte in lokalen Medien über die Rechtfertigungsversuche der Kammer und des Wirtschaftsbundes haben das interne Rumoren weiter angefacht. Präsident Herk muss jetzt von seinem Urlaub auf Hawaii nach Graz eilen, um in den Gremien Rede und Antwort zu stehen.

Es hat sich aufgestaut

Die Sache hat sich seit langem aufgestaut. Es begann mit den von den Pflichtbeiträgen ihrer Mitglieder angeschafften dicken Dienstlimousinen samt Chauffeur für den WK-Präsidenten und WB-Direktor, die kammerintern einigen Unmut auslösten.

Und jetzt wurden eben Infos lanciert, wonach sich die Präsidentenetage auch üppige Gagen selbst genehmigte. Die Wirtschaftskammer gibt nun offiziell zu, dass die Basisfunktionsentschädigung des Präsidenten mit 4.416,90 Euro brutto (zwölfmal im Jahr) tatsächlich um 50 Prozent erhöht wurde. Das gilt auch für die drei Vizepräsidenten. Beschlossen haben dies das Präsidium, in der der Präsident und die Vizes sitzen, quasi für sich selbst. Ähnlich verlief die Gagenerhöhung im ÖVP-Wirtschaftsbund. Dort genehmigte man dem Landesgruppenobmann Josef Herk im obersten Gremium, in dem auch dessen Schwägerin sitzt, eine Aufwandsentschädigung in der Höhe von 4.000 Euro. Eigentlich ist es eine ehrenamtliche Funktion. Aufsummiert ergibt das laut WB-Angaben seit 2019 180.000 Euro. Im Wirtschaftsbund muss man jetzt zugeben, dass es eine derartige Zuwendung "in der Vergangenheit nicht gegeben" habe. Aus den beiden WB und WK-Etats werden Herk jedenfalls mehr als 10.000 Euro monatlich überwiesen.

Erstmals erfahren haben Wirtschaftsbundmitglieder jetzt auch, dass der ÖVP-Wirtschaftsbund von der Kammer 133.000 Euro aus dem Titel Corona-Hilfen bekam. Insgesamt hatte die Kammer 200.000 Euro für alle wahlwerbenden Gruppen ausgeschüttet, 133.000 Euro davon eben an den ÖVP-Bund. Zudem erhielt der ÖVP-Wirtschaftsbund 2021 von der Kammer 1,1 Millionen Euro Fraktionsförderung.

Die Gattin

Und da ist auch noch die Sache mit der Gattin des Präsidenten. Diese bekam einen schönen Aufsichtsratsposten in der Energie-Steiermark-Tochter Energienetze Steiermark GmbH. Die Wirtschaftskammer habe damit nichts zu tun, lässt man offiziell wissen. Die Sache könne daher nicht kommentiert werden. Die Besetzung – und dafür gibt es etliche Zeugen – soll sozusagen "entre nous" abgelaufen sein: Ein führender Kammerrepräsentant tanzte beim ehemaligen Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) an. Dieser habe zugesagt, die Kammer könne den Aufsichtsratsposten besetzen. Der Funktionär teilte dies dem Präsidenten mit und dieser antwortete: "Wir haben schon wen" – nämlich seine Frau.

Weiterer interner Kritikpunkt: Auf dem Gelände der Kammer sind groß dimensionierte "Prestigebauten", wie es heißt, um mindestens 120 Millionen Euro geplant. Ein Teil soll nur auf Zuruf einiger Unternehmer, die davon profitieren, realisiert werden.

Neos-Wirtschaftssprecher Gerald Loacker will jetzt jedenfalls "die Rechtmäßigkeit" all der Sonderzahlungen in einer Anfrage an das Wirtschaftsministerium prüfen lassen. (Walter Müller, 3.11.2022)