Die Humanity 1 betreibt Seenotrettung unter deutscher Flagge. Italien will, dass Deutschland die von dem Schiff geretteten Bootsflüchtlinge aufnimmt.

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Eines steht außer Frage: Bootsflüchtlinge tage- oder wochenlang auf den Schiffen der NGOs warten zu lassen, ist eines Rechtsstaats unwürdig. Und wenn Italiens ultrarechte neue Regierungschefin Giorgia Meloni die Schiffe der privaten Hilfsorganisationen als "Piratenschiffe" bezeichnet, ist dies menschenverachtend.

Diese Organisationen retten jedes Jahr Tausende von Menschen vor dem sicheren Ertrinken. Dennoch kann von einer "Rückkehr zur Politik der geschlossenen Häfen" keine Rede sein. Erstens ist es keine Rückkehr: Auch unter Melonis Vorgänger Mario Draghi mussten die NGO-Schiffe mitunter sehr lange auf die Zuweisung eines Hafens warten.

Not der Migranten

Aber Draghi wäre nie auf die unsägliche Idee gekommen, aus der Not der Migranten politisches Kapital schlagen zu wollen. Zweitens sind und waren die italienischen Häfen nie geschlossen: Die Schikanen betrafen, wie heute, ausschließlich die Schiffe der NGOs.

Die Regierung Meloni hat in den zwei Wochen seit ihrem Amtsantritt bereits über 9000 Bootsflüchtlinge an Land gelassen und aufgenommen – sie hatten es mit ihren eigenen Booten geschafft oder wurden von italienischen Schiffen gerettet.

Es liegt an der EU

Italien, das mit Abstand die meisten Bootsflüchtlinge aufnimmt, sieht nicht ein, warum Deutschland, Norwegen, Spanien und andere europäische Länder nicht wenigstens diejenigen Flüchtlinge aufzunehmen bereit sind, die von Schiffen gerettet werden, die unter ihrer Flagge operieren. Gäbe es zumindest diese minimale Solidarität auf EU-Ebene, müsste kein Schiff mehr auf die Zuweisung eines Hafens warten, auch unter Meloni nicht. (Dominik Straub, 7.11.2022)