Bei Kälte verengen sich die Gefäße, in den Händen spürt man das ganz besonders. Meist ist das aber unbedenklich.

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Es ist zwar unangenehm, aber eigentlich ist Frieren ja ein ziemlich schlauer Schutzmechanismus unseres Körpers. Ist es kalt, versorgt unser Organismus zuerst alle lebenswichtigen Organe und kurbelt dort die Durchblutung an, um etwa Herz und Gehirn konstant auf 37 Grad zu halten. Die Extremitäten sind deshalb schnell einmal kühler als der Rest des Körpers. "Solange sich die Finger nicht verfärben oder extreme Schmerzen auftreten, ist das aber eine ganz normale physiologische Reaktion", sagt Renate Koppensteiner, Leiterin der Klinischen Abteilung für Angiologie an der Med-Uni Wien. Denn bei Kälte ziehen sich die Arterien zusammen, wodurch sie schlechter durchblutet werden. Bei Hitze ist es genau umgekehrt: Die Gefäße erweitern sich, damit der Körper möglichst viel Wärme abgeben kann.

Bei manchen Menschen ist diese Thermoregulation aber intensiver als bei anderen. Der Körper reagiert dann überschießend auf Kälte oder Nässe. Zwischen fünf und 20 Prozent der Bevölkerung frieren in den Händen deutlich häufiger als der Rest. Grund dafür ist das sogenannte Raynaud-Phänomen. Man unterscheidet zwischen dem primären und sekundären Phänomen.

Meist harmlose Ursache

Dabei handelt es sich um eine Durchblutungsstörung, die man im Volksmund auch unter "Weißfingerkrankheit" kennt – wobei Koppensteiner gar nicht von einer Krankheit als solches sprechen würde. "Das primäre Raynaud-Phänomen ist quasi nur ein kurzer Krampf der Gefäßmuskulatur. Die Gefäße ziehen sich dann zwar sehr stark zusammen, aber dieses Phänomen ist rasch reversibel", sagt sie und meint damit: Wenn man etwa warmes Wasser über die Hände laufen lässt oder Handschuhe anzieht, normalisiert sich die Durchblutung schnell wieder. Es blieben in der Regel keine Schäden, und die Gefäße an sich seien in Ordnung. Es gebe also keinen Grund zur Sorge, beruhigt Koppensteiner.

Werden die Kälteanfälle allerdings immer häufiger und störender für Betroffene oder treten erst im Erwachsenenalter ganz plötzlich auf, sollte man eine Spezialambulanz für weiterführende Untersuchungen aufsuchen. Es könnte sich um das sekundäre Raynaud-Phänomen handeln. Dem liegt in der Regel eine ernste Erkrankung zugrunde, die kalten Hände sind dann nur ein Symptom davon. Oft ist die Grundkrankheit eine Form der Bindegewebserkrankung oder entzündliches Rheuma. Das kann zu teilweise verengten oder sogar gänzlich verstopften Arterien führen.

Selten Behandlung nötig

Beim sekundären Raynaud-Phänomen geht es in erster Linie darum, die Grundkrankheit zu diagnostizieren und diese gezielt zu behandeln. Beim primären – also wenn die Finger "nur" kalt sind, es aber keine ernste Diagnose dahinter gibt – braucht es meist keine Behandlung. Am wichtigsten ist laut Koppensteiner, die Kälte so gut wie möglich zu meiden und immer Handschuhe zu tragen. Man könne den Körper nämlich nicht darauf trainieren, dass er Kälte in den Extremitäten besser aushält, man müsse damit umgehen lernen. Generell sollte man sich warm kleiden: "Wer insgesamt friert, löst eher eine Kälteattacke aus." Meist reiche aber ein wenig Achtsamkeit im Umgang mit Kälte, um beim primären Raynaud-Phänomen gegenzusteuern.

Wenn jemand trotzdem sehr starke Schmerzen hat, gibt es medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten: "Sogenannte Kalziumantagonisten erweitern bei Einnahme die Gefäße. Diese Medikamente setzen direkt an der Gefäßmuskulatur an und verhindern die Krämpfe", erklärt Koppensteiner.

Warum manche Leute das primäre Raynaud-Phänomen entwickeln und andere nicht, weiß man noch nicht genau. Über die Ursachen ist wenig bekannt, aber es gibt Anhaltspunkte: "Oft sind Menschen mit niedrigem Blutdruck oder Migräne betroffen. Auch ein starker Gewichtsverlust kann ein Grund sein", berichtet Koppensteiner. Viele ihrer Patientinnen erzählen, dass ihre Mütter bereits Raynaud-Attacken hatte, es könnten also auch genetische Faktoren involviert sein. Auch die Hormone dürften eine Rolle spielen: Frauen sind viermal häufiger betroffen als Männer. Vor allem junge Frauen entwickeln das Phänomen typischerweise im Zuge der Pubertät, sagt die Expertin. Meist bessern sich die Symptome aber mit zunehmendem Alter. (Magdalena Pötsch, 8.11.2022)