Innenminister Gerhard Karner, Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (beide ÖVP) und Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grün) präsentierten am Dienstagmorgen das neue Krisensicherheitsgesetz.

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Innenminister Gerhard Karner, Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (beide ÖVP) und Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) präsentierten am Dienstagmorgen das neue Krisensicherheitsgesetz und kündigten gleichzeitig Änderungen im Wehrgesetz, im Meldegesetz und in Teilen der Verfassung an. Sieben Seiten umfasst der Gesetzesentwurf, der nun in die sechswöchige Begutachtung geht und dann dem Parlament zur Abstimmung vorgelegt wird.

Darin soll die Definition von Krise festgelegt werden, und es sollen die Errichtung eines Lagezentrums mit 2.000 Quadratmeter Fläche, die Bestellung eines Krisenkoordinators, die Koordination zwischen allen Akteuren wie etwa Bundes- und Landesbehörden sowie Einsatzorganisationen und die Schaffung rechtlicher Rahmenbedingungen für das staatliche Krisen- und Katastrophenschutzmanagement festgeschrieben sein. Der Koordinator soll im Bundeskanzleramt angesiedelt werden. Sein oder ihr Stellvertreter soll für die Kommunikation mit den Nachrichtendiensten zuständig sein.

Unterirdische Kommandozentrale

Das Lagezentrum wird in Kellerräumlichkeiten des Innenministeriums, in denen sich eine Tiefgarage befand, installiert werden.

So soll das Lagezentrum im Keller des Innenministeriums aussehen.
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Für den Umbau und die nötige Technik wurden 50 Millionen Euro veranschlagt. Wie hoch etwaige Personalkosten sein werden, wisse man noch nicht, hieß es bei der Präsentation. Auch wer für die angekündigten neuen Jobs infrage kommen könnte, wollte Karner am Dienstag noch nicht kommentieren.

Im künftigen Lagezentrum soll auf mehr als 2.000 Quadratmetern ein ständiges Monitoring von zentralen Bereichen wie Sicherheit, Gesundheit oder Energie stattfinden. Laut Regierung soll zudem die gleichzeitige Bewältigung von bis zu drei Krisen möglich sein. Auch ein modernes Medienzentrum zur Kommunikation mit der Öffentlichkeit soll in den unterirdischen Räumen eingerichtet werden.

Bei der Vorstellung des neuen Krisensicherheitsgesetzes betonte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP), das Gesetz sei ein "Koordinationsgesetz". Es greife nicht in die einzelnen Materien der Ministerien ein.
DER STANDARD

Letzte Neuaufstellung nach Tschernobyl

Bereits seit einem Jahr war das neue Krisensicherheitsgesetz auf der Agenda der Bundesregierung. Doch eine Aktualisierung der Krisenmanagementpläne und Krisenkommunikation steht in Österreich de facto seit Jahrzehnten an. Konkret seit 1986, als man sich im Zuge der Nuklearkatastrophe in Tschernobyl in diesem Bereich zum letzten Mal neu aufstellte.

Die Dringlichkeit dieses Projekts steht für den Politikwissenschafter Peter Filzmaier außer Frage: "Jedes Krankenhaus überarbeitet jährlich seinen Krisenmanagementplan und seine Krisenkommunikation. Alle Parteien, die seit 1986 in der Regierung waren, haben hier jahrzehntelang schwerste Versäumnisse zu verantworten."

Währung Vertrauen

Der Erfolg werde aber von mehreren Dingen abhängen: Dass man bei den Plänen Organisationen wie das Rote Kreuz oder den Arbeitersamariterbund nicht eingebunden hat, ist für Filzmaier problematisch und gerade für eine verbesserungswürdige Krisenkommunikation nicht ideal. Insbesondere weil sich die Kommunikation zwischen allen Playern laut Regierung ja künftig verbessern sollte. Und: "Gutes Krisenmanagement basiert auf einer Währung, von der die Regierung derzeit sehr wenig hat, nämlich Vertrauen." Davon hätten Hilfsorganisationen jedenfalls meist mehr.

Bußjäger: Bundesheer-Inlandseinsätze "staatspolitisch heikel"

Auch der Verfassungs- und Verwaltungsjurist Peter Bußjäger hält eine derartige Reform im STANDARD-Gespräch für grundsätzlich sehr sinnvoll – äußert aber auch Bedenken an der konkreten Umsetzung. Das im Innenministerium angesiedelte staatliche Krisen- und Katastrophenmanagement sei bislang nur im Bundesministeriengesetz kurz erwähnt worden. "Aber niemand hat so recht gewusst, was das ist." Gesetzliche Abklärungen auf Bundesebene – auch dazu, wie die Abstimmung zwischen den Ressorts erfolgen soll – seien daher begrüßenswert.

Allerdings: Die weitreichende Mitwirkung des Bundesheeres ist für den Verfassungsrechtler "staatspolitisch heikel". Einerseits seien Einsätze des Heeres im Katastrophenfall oft notwendig. Andererseits aber würde die Möglichkeit zu weitreichenden Inlandseinsätzen der Armee legistische Missbrauchsmöglichkeiten eröffnen. "Einen Militärapparat in zivile Angelegenheiten hineinzuziehen ist immer ein gewisses Risiko", sagt der Jurist.

"Spannend" ist zudem auch für Bußjäger, ob und wie man die Abstimmung mit den jeweiligen Landesbehörden in der Praxis bewältige. "Das ist eine zentrale Schnittstelle", sagt er. So müssten bei einer Katastrophe in einem bestimmten Bundesland wie bei Hochwasser oder einem Lawinenabgang die Bundesorgane, speziell die Polizei oder das Bundesheer, mithelfen. Bei einer bundesweiten Katastrophe wie etwa der Pandemie müssten umgekehrt die Landesorgane den Bund unterstützen.

Oppositionelle Kritik

Die Opposition hat unterdessen wenig Vertrauen in die Pläne der Regierung. FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz warnte am Dienstag vor einem "Freibrief" für die Regierung und möglichen Anschlägen auf die Grundrechte, wie die FPÖ sie während der Pandemie gesehen haben will. Ob man dem Gesetz zustimmen werde, will man daher erst nach einer Prüfung "auf Herz und Nieren" entscheiden.

Auch SPÖ-Sicherheitssprecher Reinhold Einwallner zeigt sich schwer verärgert, anders als behauptet sei man zuletzt vor einem Jahr eingebunden gewesen. Das sei der Gipfel der Frechheit, denn "heute wurde etwas komplett Neues vorgelegt, von dem wir bis jetzt noch nichts gehört haben", so Einwallner in einer Aussendung.

Ins selbe Horn stoßen die Neos, die sich auch nicht eingebunden fühlten, was beweise, dass ÖVP und Grüne "keinerlei Wert auf einen demokratischen Diskurs legen und ihnen jeder Respekt vor der Volksvertretung fehlt", so der pinke Verteidigungssprecher Douglas Hoyos.

Rotes Kreuz

Beim Roten Kreuz zeigt man sich verständnisvoller: "Der finale Entwurf zum Krisensicherheitsgesetz ist ein wichtiger Schritt für eine gesamtstaatliche Koordination, den wir begrüßen. Dass der Bund den Gesetzesentwurf vor der Einbindung der Einsatzorganisationen intern mit den Koalitionspartnern abstimmen musste, ist verständlich", meint der stellvertrende Generalsekretär Peter Kaiser. "Wir werden die sechswöchige Begutachtungsdauer nutzen, um eingehend zu überprüfen, ob die wichtigen Punkte, die ein gutes Krisenmanagement ausmachen, darin enthalten sind. Jetzt gilt es gemeinsam mit den anderen Einsatzorganisationen den Gesetzgeber und die Behörden mit unserer Expertise zu unterstützen."

Datensalat

Ein zentraler Punkt sei auch die Datenlage beziehungsweise "der Datensalat" in Österreich, der an sich eine Dauerkrise darstelle, sagt Filzmaier. "Wenn man 2.500 Bürgermeister oder einzelne Landeshauptleute hat, wo jeder etwas anderes sagt, dann ist jede zentrale Kommunikation zum Scheitern verurteilt." Das habe man in der Pandemie gesehen, aber auch in der Teuerungskrise.

Einheitliche Datenlage gefordert

"Die Datenlage muss nicht perfekt sein, aber wenigstens einheitlich", sagt Filzmaier, "Italien hat in der Pandemie binnen einer Woche ein Dashboard aufgebaut, das bei uns undenkbar war."

Auch Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) sagte bei der Pressekonferenz mit Blick auf die zurückliegenden Corona-Jahre, es sei entscheidend, dass alle involvierten Stellen auf einem Informationsstand seien. Das sei mit dem neuen Lagezentrum, das in zwei Jahren fertig sein soll, garantiert, so der Minister. (Colette M. Schmidt, Martin Tschiderer, 8.11.2022)