Detailaufnahme einer sogenannten Benin-Bronze.

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In der laufenden Diskussion über die Rückgabe von Raubkunst an Nachfolgestaaten ehemals Kolonisierter gibt es Bewegung: Deutschland, Frankreich und die USA machen Ernst damit, u. a. Bronzekunst aus den früheren westafrikanischen Königreichen Benin und Dahomey zurückzugeben, Berlin unternimmt zudem größere Anstrengungen, den Völkermord und Plünderungen in Namibia während der Kaiserzeit wiedergutzumachen.

Aus Österreich wurden zuletzt zum wiederholten Mal menschliche Überreste, Gebeine aus den anthropologischen Sammlungen, an Māori aus Neuseeland repatriiert. Anfang des Jahres ließ Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) eine international besetzte Kommission einrichten, die Empfehlungen für den Umgang mit kolonial belastetem Kulturgut erarbeiten soll. Den Vorsitz führt Jonathan Fine, Direktor des Weltmuseums, das mit seinen Sammlungen aus allen Teilen der Welt hauptbetroffen ist.

Federführend von der Ex-Weltmuseum-Kuratorin Barbara Plankensteiner, nunmehr Leiterin des Hamburger Museums am Rothenbaum, initiiert, wurde nun erstmalig eine öffentlich zugängliche digitale Datenbank zu den Benin-Bronzen erarbeitet. Unter digitalbenin.org kann man nach jedem der gut 5.200 Objekte suchen, deren Provenienz und aktuellen Aufenthalt überprüfen. Jeweils über 1.000 Objekte lagern in deutschen und britischen Museen – aus einem britischen Kolonialkrieg im Jahr 1897 stammt mit 1.400 Objekten auch die größte Gruppe von entwendeten Objekten.

202 Objekte in Wien

Die meisten übrigen Objekte gingen durch die Hände von Händlern, Sammlern, Wissenschaftern, ihre legitime Erwerbung zu überprüfen ist oft Interpretationssache. Im Weltmuseum Wien geht es um 202 Objekte. Jonathan Fine, der digitalbenin.org in einem Hintergrundgespräch mit Journalisten vorstellte, gab zudem einen Zwischenstand der Arbeit seines Expertengremiums.

Es gebe einen Grundkonsens, dass "alle Objekte, die nicht einvernehmlich in die Sammlung gelangt sind, als Rückgabekandidaten geführt werden sollen" – dazu zählen auch Objekte aus Benin. Der Nachfolgestaat Nigeria habe zwar noch keine offizielle Rückgabeanfrage gestellt, offenbar aber nur deshalb, weil man zunächst die Restitution aus Deutschland abwickeln wolle. In Nigeria wird für diesen Zweck derzeit ein neues Museum errichtet.

Die Wiener Empfehlungen werden wohl darauf hinauslaufen, dass man sich zu Provenienzforschung im Kolonialbereich verpflichtet, schon jetzt laufen diesbezüglich Förderungen des Bundes. Anders als bei Rückgaben aus NS-Kontexten soll daraus aber wohl keine Verpflichtung entstehen, proaktiv an potenzielle Aufnahmeländer heranzutreten. "Proaktive Beforschung ja, aber Rückgabeprozesse sollten erst durch offizielle Anfragen angestoßen werden", meint Fine. Es sei aber alles noch in Diskussion, die finalen Empfehlungen an die Politik sollen im Frühjahr 2023 erfolgen. (Stefan Weiss, 8.11.2022)