Alaa Abdel Fattah wurde wegen Verbreitung falscher Nachrichten zu fünf Jahren Haft verurteilt.

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Mittlerweile hat die Gegenkampagne eingesetzt: "Alaa Abdel Fattah ist ein Krimineller", wird eifrig getweetet. Das Schicksal des knapp 41-jährigen ägyptischen Bloggers und Menschenrechtsaktivisten, der im Gefängnis von Wadi El Latrun im Norden Kairos inhaftiert und im totalen Hungerstreik ist – er trinkt auch nichts mehr –, hat die ersten Tage der Weltklimakonferenz COP 27 in Sharm El-Sheikh überschattet. Familie und Freunde bangen um das Leben des verheirateten Vaters eines mittlerweile 11-jährigen Sohns, bei dem Autismus diagnostiziert wurde. Auch die Uno schlägt Alarm.

Besonders ärgerlich für die ägyptische Regierung ist, dass der Fall zu diplomatischen Verstimmungen führen könnte: Großbritannien verlieh Abdel Fattah im April die Staatsbürgerschaft, weil seine Mutter in London geboren ist. Aber auch der deutsche Kanzler Olaf Scholz sprach sich für seine Freilassung aus; der deutsche Pavillon bei der COP 27 beherbergte eine Veranstaltung mit einer der Schwestern des Aktivisten, Sanaa Seif.

Der Einsatz für die Menschenrechte liegt der ganzen Familie im Blut, bereits der 2014 verstorbene Vater Ahmed Seif war Menschenrechtsanwalt. Mutter Laila, eine Mathematikerin, Tante Ahdaf, die Schwestern Mona und Sanaa: Sie kämpfen gegen Repression und für die Freilassung des Mannes, der seine Isolationshaft als Grund für seinen drastischen Schritt angibt.

Terrorvorwürfe auf Social Media

Alaa Abdel Fattah, von Beruf Softwareentwickler, verkörpert in besonderer Weise die ägyptische Revolutionsjugend, deren Proteste im Februar 2011 zum Rücktritt von Präsident Hosni Mubarak führten. Die Ernüchterung kam bald, mit der Repressionswelle nach dem Sturz des Muslimbruderpräsidenten Mohammed Morsi und der Rückkehr der Militärs an die Macht bekamen viele Ex-Revolutionäre ernste Probleme mit der Justiz.

2015 wurde Abdel Fattah zum ersten Mal zu fünf Jahren verurteilt, 2019 freigelassen und wieder festgenommen. Im Dezember 2021 folgte die neuerliche Verurteilung, wieder zu fünf Jahren, wegen Verbreitung falscher Nachrichten. Nicht einmal die ägyptischen Behörden werfen ihm das vor, was man jetzt in den Social Media über ihn lesen kann: dass er ein Terrorist sei.

Was derzeit hinter den Mauern vor sich geht, hinter denen Abdel Fattah sitzt, weiß die Öffentlichkeit nicht: Außenminister Sameh Shoukry hielt fest, dass für die Gesundheit der Häftlinge gesorgt werde – was manche als Hinweis auf Zwangsernährung verstehen. Für Ägypten ist es jedenfalls die klassische Lose-lose-Situation. (Gudrun Harrer, 10.11.2022)

Erratum: In einer früheren Fassung dieses Artikels stand, dass Abdel Fattah Vater einer Tochter sei. Sohn ist richtig.