Illustrator und Plakatkünstler: Henning Wagenbreths Siebdruckplakat "Respect Women"

Foto: Der Standard/Franz Oss

Als sich im Herbst 1989 eine Ostberliner Künstlergruppe zur PGH Glühende Zukunft zusammenschließt, verrät ihr Name hintersinnigen Humor. Die vorangestellte Abkürzung verweist auf die DDR-Produktionsgenossenschaft des Handwerks, in der Luft glüht eine Zukunft namens Mauerfall. Die PGH druckt Flugblätter für Demonstrationen und sorgt nach der Wende mit ihrer Plakatkunst auch im Westen für Furore.

Comic-Lehrstück über Kreativität

Henning Wagenbreth, Jahrgang 1962, war einer der Mitbegründer, heute lehrt er an der Universität der Künste in Berlin und entwirft als Plakatkünstler, Illustrator, Grafiker und Bühnenbildner einen visuellen Kosmos, der grell, dicht und zugleich mit klarer Kante daherkommt. Seine Illustrationen sprühen vor absurder Komik, wollen es einem aber nicht gemütlich machen.

Jüngstes Beispiel ist Rückwärtsland, 2022 unter die schönsten Bücher Deutschland gewählt und ein für Alt und Jung taugliches Comic-Lehrstück über die Kraft des kreativen Denkens, das eben nicht nur in eine Richtung funktioniert. In Reimen und Bildern wird das Leben rückwärts abgespult, was heiter-skurrile, nachdenkliche, mitunter auch morbide Ergebnisse zeitigt. Im Rückwärtsland treibt der Strom aus unseren Häusern Windräder an, der Fleischer bastelt aus Koteletts ein Schwein, im "Geirk" wecken Kugeln Tote auf, und Kanonen schießen Bahnstationen herbei. Selbst der Lottomillionär erfährt in dieser Welt so etwas wie Heilung, nämlich von seiner Reichtumsallergie.

Plakat zum Buch "Rückwärtsland", das heuer in Deutschland unter die schönsten Bücher des Jahres gewählt wurde
Foto: Der Standard/Franz Oss

Werkschau im Innsbrucker Weissraum

Hauswolken, Sturmobst und Elektroaffen titelt die Wagenbreth-Schau im Weissraum, die ein vielfältiges Werk vorstellt. Dazu gehören in Linolschnitttechnik illustrierte Scam-Mails und der für die ersten Taschencomputer entworfene Comicstrip Plastic Dog. Aus Wagenbreths Bildsprache lassen sich Einflüsse aus Volkskunst und japanischem Holzschnitt ebenso herauslesen wie eine konstruktivistische Prägung. Inspiriert wurde er auch von der französischen Plakatkunst, seine technisch brillanten Siebdrucke entstehen in einer Werkstatt bei Straßburg und beeindrucken auch durch ihr übergroßes Format. Empfehlung! (Ivona Jelcic, 18.11.2022)