Stephan Balkenhol: "Hemdträger, die um ihr Leben kämpfen", wie der antike Held Laokoon und seine Söhne.

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Svenja Delgner* hat an der Linzer Kunstuniversität studiert, ist nebenberuflich in der Branche tätig und zwischendurch bei Auktionen oder Vernissagen in Galerien anzutreffen. Mit ihren 27 Jahren repräsentiert sie für den Kunsthandel eine der (über)nächsten Generationen: als Besucherin einer Kunstmesse jedenfalls, vielleicht auch als Käuferin in spe. Ihr Lokalaugenschein in der Hofburg am vergangenen Wochenende liefert einen persönlichen wie aufschlussreichen Blick auf das traditionell konservative Format einer Kunst- und Antiquitätenmesse. Angesichts mancher Präsentationen mit "all den Schmuckstücken, Möbeln, Diademen, Ikonen und Perlmuttschatullen", fühlte sie sich "eher an einen sehr teuren Flohmarkt erinnert".

Atmosphärisch? "Die Herrschaften waren alle sehr entspannt auf ihrer Lustwandelung durch potenzielle Investitionen. Der Großteil war älteren Jahrgängen zuzuordnen", jene in ihrem Alter fanden sich eher unter den Assistentinnen der Kunsthändler und Galeristinnen. Etwaige Fragen an die Aussteller seien "aufmerksam angehört und jovial beantwortet worden".

Svenja Delgners "eindeutiger Favorit": Franz Sedlaceks "Blüten und Insekten" (1935).
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Joviale Belehrungen

"Ein Ikonen-Händler nannte mich ‚wohlerzogen‘, als ich ihn fragte, ob ich ein Foto machen darf. Sehr nett hat er mich mansplaint, wie das mit den Bildrechten funktioniert." Auf Nachfrage erzählte er, wie seinesgleichen "oft Sammlungen erben und zu handeln beginnen, ab ‚einem gewissen Alter, wenn man schon Eigenheim und Besitz angeschafft‘ habe. Etwas lustig, weil er anzunehmen schien, meine Generation hätte dieselben Möglichkeiten wie seine, Grundeigentum zu erwerben. Ich frage mich, bei wie vielen anderen Kunsthändlern das Geschäft eine Erbsache ist. Insofern erscheint die Hofburg als ehemaliger Sitz des Adels als ein stimmiger Ort für diese Messe."

"Lustige Präsentation" der Arbeiten von Thomas Stimm, Jahrgang 1948, wohl "einfach nicht die Messe für Newcomerinnen …" resümiert die 27-Jährige.
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Eine Lektion Belehrung zum Thema Raubgrabungen gab es am Stand eines Antikenhändlers. Die Vorwürfe des Schwarzhandels in seinem Arbeitsrevier "seien Schwachsinn" und "dumme Stimmungsmache". Ein Highlight aus seinem Sortiment? "Er deutete auf einen hellenistischen Piloshelm und erzählt von einem ihm bekannten Sammler, der 40 solcher Helme besitze", das Kunsthistorische Museum, erzählte er lachend, "besäße dagegen angeblich nur zwei", "wie jämmerlich, sollte mir der Vergleich offenbar sagen".

Dominanz "männlicher" Künstler

Das Angebot im Bereich bildende Kunst? Keine Newcomer, stattdessen "die üblichen männlichen Künstlergrößen" in fast schon inflationärem Umfang, "Rainer, Brandl, Korab, Prachensky, Nitsch, Staudacher, Gasteiger" einerseits, "Klimt, Walde, Egger-Lienz" andererseits. Svenja Delgners persönlichen Favoriten? Eindeutig Franz Sedlaceks Blüten und Insekten (220.000 Euro), ebenso aus dem Jahr 1935 wie Rudolf Wackers Püppchen von 1935 (130.000 Euro).

Das abschließende Fazit der 27-Jährigen? Eher keine Veranstaltung, die sie ein weiteres Mal zu besuchen reizt: Es sei ein unnatürlicher Ort, der "in der künstlichen Ausleuchtung der tausend Lampen wie ein Terrarium wirkt, in dem das Verweilen jenen bequem scheint, deren Hintern gepolstert vom dicken Portemonnaie auf den Lederstühlen der Aussteller Platz nehmen dürfen". (Olga Kronsteiner, 19.11.2022)