Die seit Oktober als Regierungschefin amtierende Giorgia Meloni bezeichnete ihren Budgetentwurf als "mutig".

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Rom – Italiens neue Regierung um Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat in der Nacht auf Dienstag ihren ersten Budgetplan verabschiedet, der sich auf die Eindämmung der Energiekosten konzentriert und Steuersenkungen für Arbeitnehmer und Selbstständige ab dem nächsten Jahr vorsieht. Der Budgetentwurf geht nun an das Parlament, das ihn bis Ende des Jahres verabschieden muss. Die Maßnahmen haben ein Volumen von 35 Milliarden Euro.

Vorrangig geht es dem Kabinett darum, eine Rezession in den ersten Monaten des kommenden Jahres und ihre möglichen sozialen Folgen abzuwenden. So werden kommendes Jahr mehr als 21 Milliarden Euro ausgegeben, um Unternehmen und Haushalte bei der Bezahlung von Strom- und Gasrechnungen zu unterstützen.

Budgetdefizit wächst

Schon jetzt aber ist klar, dass wegen der kostspieligen Maßnahmen das italienische Budgetdefizit im kommenden Jahr auf 4,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) klettern wird. Im September war die Regierung noch von einem Defizit von 3,4 Prozent ausgegangen. Die EU-Schuldenregeln erlauben ein Defizit von höchstens drei Prozent des BIP. Aus jüngsten Schätzungen geht hervor, dass sich die italienische Wirtschaft aufgrund der hohen Inflation 2023 stark abschwächen und das Bruttoinlandsprodukt um nur 0,6 Prozent wachsen wird; heuer war es um 3,7 Prozent gestiegen.

Indes erwartet sich das italienische Kabinett Einnahmen von drei Milliarden Euro aus einer Sondersteuer auf die Gewinne von Energiekonzernen, die vom Anstieg der Öl- und Gaspreise profitiert haben. Mit einem Steuersatz von 35 Prozent wird die Abgabe einem von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Rahmen entsprechen und eine frühere Regelung ersetzen, die Kritik und Zahlungsverweigerungen vieler Unternehmen ausgelöst hatte. Erhöht wird die Tabaksteuer. Die Subventionen für die Benzinpreise werden ab dem 1. Dezember verringert. Damit ist zu erwarten, dass die Benzinpreise wieder ansteigen werden.

Senkung der Lohnnebenkosten

Die Regierung plant außerdem eine Senkung der Lohnnebenkosten für Arbeitnehmer, was die Staatskassen mit etwa fünf Milliarden Euro belasten wird. Sie hofft, die Arbeitnehmer in dieser schwierigen Zeit der sinkenden Kaufkraft zu unterstützen. Steuerentlastungen gibt es auch für Firmen, die Personal unter 36 Jahren anstellen. Dagegen wird der Bezug der Mindestsicherung für Italiener in erwerbsfähigem Alter bis 59 Jahren auf höchstens acht Monate im Jahr begrenzt.

Mit der Umsetzung eines ihrer wichtigsten Wahlversprechen wird Ministerpräsidentin Meloni den einheitlichen Steuersatz von 15 Prozent für Selbstständige auf ein Jahreseinkommen von bis zu 85.000 Euro ausdehnen. Bisher betrug die Obergrenze 65.000 Euro. Die für Anfang 2023 geplante Einführung einer Plastiksteuer und einer "Zuckersteuer" auf Softdrinks wurde verschoben. 400 Millionen Euro sollen für die von schweren Unwettern und von einem Erdbeben erschütterten Region Marken (Marche) zur Verfügung gestellt werden.

Die seit Oktober als Regierungschefin amtierende Meloni bezeichnete ihren Budgetentwurf als "mutig". Das Augenmerk liege auf Familien mit niedrigerem Einkommen. Die im Budgetentwurf enthaltenen Maßnahmen werden "das Wachstum fördern und Familien und Unternehmen unterstützen", sagte die Regierungschefin, die sich im Parlament auf eine komfortable Mehrheit stützen kann. Geltung erlangt das vorgeschlagene Budget erst nach einem Beschluss durch die Volksvertretung.

Opposition kündigt Proteste an

Die Opposition sieht die Lage anders. Der Chef der linkspopulistischen Fünf-Sterne-Bewegung Giuseppe Conte, dessen Regierung 2019 die Mindestsicherung eingeführt hatte, kündigte an, für den Erhalt des Bürgergelds zu kämpfen und mit seinen Unterstützern auch auf die Straße gehen zu wollen. Er bezeichnete die Kürzungen des Bürgerlohns als "unmenschlich".

Sozialdemokraten-Chef Enrico Letta will mit seiner Partei am 17. Dezember Straßenproteste organisieren. Der sozialdemokratische Wirtschaftsexperte Antonio Misiani bezeichnete den Haushalt als "Krieg gegen die Armen und Begünstigung von Steuerhinterziehern". (APA, 22.11.2022)