Es muss nicht immer Katze sein. Mose aus dem Vorarlberger Rheintal.

Foto: Mose

Wenn man als Musiker gut 40 Jahre in verschiedenen Formationen durchgehalten hat, weil man sein Hobby nie zum Beruf machen wollte, dann kann eines passieren. Man kann endlich ganz befreit von jeglichen Zwängen agieren. Die Vorarlberger Band Mose tut dies auf ihrem neuen Album Puls mit großer Entschiedenheit. Seit über zwei Jahrzehnten in mehr oder weniger der selben Besetzung sind Mose so zu einer aus fünf älteren Herren bestehenden Patchworkfamilie gereift, in der man sich bei trockenen Bandproben im Wirtshaus trotzdem noch etwas zu sagen hat.

Diese Gelassenheit, gepaart mit einem den Einwohnern Vorarlbergs gern unterstellten starken Willen, den man auch als Sturschädeligkeit bezeichnen könnte, führte die Formation nach Anfängen im US-amerikanischen Zwölftakter-Blues zu einem, einer hierzulande kaum gehörten musikalischen Souveränität. Die großen Schlachten, auch jene untereinander, sind geschlagen. Zurücklehnen, abwarten und Dinge geschehen lassen, das sind die obersten Gebote.

Mose - Topic

Unter Zurücknahme der meist für die Existenz einer Band über kurz oder lang tödlichen Hahnenkämpfe hören wir auf dem Album Puls gemeinsam beim Improvisieren entstandene, meist ruhige Instrumentals und Songs. Harmonika, Melodica, Ukulele, asthmatische Orgel, Banjo, Bass, Gerumpel, Gitarre, mitunter beinahe schüchterner Gesang: Sie wurden am Mischpult nach den Aufnahmen so wie in den alten Tagen von Krautrockbands wie Can geschnitten, neu geordnet und zusammengeklebt.

Alle Stücke weisen zudem eine gern beschworene "filmische" Qualität auf. Den dazugehörigen Assoziationen sind damit Tür und Tor geöffnet. Vielleicht ist dem Hallraum der als Studio verwendeten Kapelle St. Arbogast hoch über dem Rheintal auch eine gewisse sakrale Stimmung zu verdanken. Möglicherweise findet das müde, aus Spaghettiwestern bekannte Pferd mit einem dösenden Reiter obendrauf auch deshalb zu den Klängen einer wehmütigen Trompete trotz einem durchgehenden Gefühl der Weite und Grenzenlosigkeit immer ganz alleine nach Hause in den vertrauten Stall.

Mose - Topic

Was kann es in der Musik Schöneres geben als eine mit lang gehaltenen Tönen Wehmut und Heimweh verkündende Trompete? Sie wird übrigens neben der Tuba von Herbert Walser-Breuß bedient, dem einzigen Profi bei Mose. Er arbeitet sonst wochentags beim einst von Nikolaus Harnoncourt gegründeten Contentus Musicus.

Besonders gelungen, neben der berührend mit Glockenspiel vorgetragenen Songminiatur Folksong: das Stück The Life And Times of Deschek. Deschek ist ein wienerischer Ausdruck für "guter Lotsch". Dazu gesellen sich auf dem nach der alten Heimstätte von Mose, dem im Schwarzwald beheimateten Label Klangbad der alten Krautrocker von Faust, nun im Eigenverlag erschienenen Album noch Stücke, die an seelenverwandte Zeitlupenjazzer wie Jac Berrocal oder Bohren & der Club of Gore in deren Spätphase erinnern.

Erwähnt seien Grafix oder der sich lebensmüde über alte Bluesstrukturen melancholisch schleppende Track Schöne Neue Welt sowie Anywhere. Postrock trifft auf Tom Waits in dessen Spätphase. Tom Waits aber hat zu diesem Zeitpunkt schon den Proberaum verlassen und keucht der Band den Gesang durchs freigeschaltete Telefon zu. Tolles Album. (Christian Schachinger, 24.11.2022)