Im Gastblog schreibt Christian Allner über die gesundheitlichen Aspekte im Homeoffice und analysiert die Rolle des betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM).

Durch Homeoffice, Homeschooling und anderes hat sich das Ernährungs- und Bewegungsverhalten vieler Menschen verändert. Gerade das Homeoffice spielt seit der Corona-Pandemie für Berufstätige eine große Rolle. Und wenn Mitarbeiter nun seltener oder häufiger krank werden, interessiert sich natürlich auch der Arbeitgeber dafür. 

Betriebliches Homeoffice-Gesundheitsmanagement

Die Nürnberger mhplus-Krankenkasse hat in Zusammenarbeit mit der Süddeutschen Krankenversicherung die Studie "Gesundes Home Office" veröffentlicht, in der 65 Prozent der Befragten angeben, insgesamt lieber zuhause als im Büro zu arbeiten. 

Grundsätzlich sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Home Office und auch im Büro selbst gefragt. Sie müssen auf ein Plus an Bewegung achten, die Schlafqualität optimieren und eine gesunde Ernährung einfließen lassen. All das umfasst das Thema Betriebliches Gesundheitsmanagement. Interessante Inspirationen gibt es auf Nahrung.de, wo bewusste Menschen Tipps zur Ernährung im Home Office finden. Wissenswertes über Lebensmittel und Nahrungsergänzungen und auch verschiedene Produkte aus dem Bereich der Naturheilkunde werden dort vorgestellt. 

In verschiedenen Ländern gibt es auch groß angelegte Vorhaben, in Österreich etwa die Nationale Strategie Gesundheit im Betrieb. Im April 2021 hat der Nationalrat Homeoffice neu geregelt im Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG).

Bereits vorher gab es gesetzliche Regelungen zur Telearbeit, also dem Arbeiten beispielweise in den heimischen vier Wänden und mittels elektronischer Systeme. 

Viele europäische Gerichte mussten sich in den letzten Jahren auch damit beschäftigen: Ist eine Verletzung im Homeoffice ein Arbeitsunfall und wer zahlt bei Unfällen im Homeoffice? Und eben: Was ist mit Betrieblichen Gesundheitsmanagement? Muss sich oder darf sich der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin darum auch in den heimischen vier Wänden kümmern?

Auch am Arbeitsplatz in den eigenen vier Wänden sollte auf die Gesundheit geachtet werden.
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Das Problem des BGM: Es ist betrieblich

Eine der größten Herausforderungen des BGM im Homeoffice sind die schlechte Erreichbarkeit und die mangelhaften Möglichkeiten zur Messung der Gesundheit der Arbeitnehmer:innen. Gerade in diesem Punkt legen Unternehmen derzeit nach. Sie wollen das BGM kontrollieren und gesundheitsfördernde Standards für das Home Office einführen.

Daher sollten wir vom klassischen Konzept des betrieblichen Gesundheitsmanagements weggehen. Denn das BGM ist betrieblich und das sind moderne Arbeitsformen immer häufiger nicht. Es gibt keinen einheitlichen Betrieb mehr, sondern es gibt viele einzelne unabhängige Archen, die weltweit verteilt arbeiten können. Dadurch muss auch Gesundheits-Management autarker gedacht werden.

Klassischerweise wird Betriebliches Gesundheitsmanagement in zwei bis drei Bereiche untergliedert:

  • Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM):
  • Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF); darüber hinaus ggf. noch
  • Einzelmaßnahmen wie betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM), Arbeits- und Gesundheitsschutz (AGS) etc.


Die WKO definiert dabei BGM als Entwicklung des betrieblichen Umfelds zur Förderung der Gesundheit - hat also deutlich den betrieblichen Rahmen, also das klassische Büro, die Fabrik, das Firmengelände im Fokus. Betriebliche Gesundheitsförderung umfasst alle gemeinsamen Maßnahmen von Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Gesellschaft - ist also weiter gefasst und nicht nur streng auf den Betrieb gerichtet. Das ist doch eine gute Grundlage.

BGM versus MGF: Vorschlag für neue Schwerpunkte

Statt mehr betrieblichem Gesundheitsmanagement brauchen wir einen neuen Ansatz. Mein Vorschlag: Mobile Gesundheitsförderung. Es wird immer unwahrscheinlicher, dass Menschen ihr gesamtes Leben in einem einzigen Betrieb und vor allem immer in demselben Betrieb verbringen werden. Mobile Arbeitsplätze, Konzepte wie Coworking (freie Arbeitsplatzwahl), Coliving (Kombination aus Arbeitsumgebung und privatem Lebensumfeld) oder Workation (Arbeitsurlaub, bei dem man ein paar Tage arbeitet, ein paar urlaubt) werden verbreiteter. 

MGF sollte sich gliedern in:

  • Gesundheit Stationär (Homeoffice im eigenen Haus, Telearbeit, beim Desksharing im Büro etc.): Also Orte, die wir regelmäßig oder wiederkehrend aufsuchen und deren Umfeld wir kennen und selbst aktiv beeinflussen können.
  • Gesundheit Mobil (Dienstreise, Kundenprojekte beim Kunden vor Ort; im Coworking Space etc.): Hier sind wir an Orten, die wir nicht regelmäßig besuchen, nicht kennen oder nur kurz kennenlernen und wo wir passiv auf vorhandene Infrastruktur angewiesen sind.

Die Herausforderungen beim klassischen BGM liegen nunmal darin, dass sie starr sind, auf einen konkreten Betrieb ausgerichtet und uns kaum etwas nutzen, wenn nicht nur der Arbeitsinhalt, sondern auch der Arbeitsplatz dynamisch ist. MGF hätte den Vorteil, dass der Fokus modularer gesetzt ist. 

Schlussendlich spielt bei Gesundheit vor allem eine Rolle, wann, wo, wie und unter welchen Umständen wir uns ihr widmen können. Für den Anfang wäre es also ausreichend, sich zunächst damit zu beschäftigen, Möglichkeiten zu schaffen, wie wir gesünder werden können. Manche Aspekte, wie regelmäßiges Bewegen während der Arbeitszeit, lassen sich sogar recht leicht umsetzen.

Gesundheits-Management neu denken

Trotz Widerständen in Chefetagen treiben unsere Gesellschaften stärker auf ein Arbeitsumfeld zu, das dynamischer, wechselhafter und spontaner sein könnte, aber vor allem: krisenresistenter sein muss!

Resistentere Arbeitsumgebungen, anpassbare Pendelwege und eine robustere Infrastruktur verbessern nicht nur unseren persönlichen Alltag, sondern unterstützen die Resilienz der gesamten Wirtschaft und Gesellschaft.

Doch auch hier gibt es keine Einheitlichkeit: Bürojobs lassen sich leichter ins Homeoffice versetzen als Fabrikarbeit. Manche Menschen blühen im Homeoffice auf und geben auch gesundheitlich besser auf sich acht - andere versumpfen am Heimarbeitsplatz. Wieder andere wollen vielleicht einige Tage in der Woche mal ins Büro, andere lieber zu Hause verbringen. Auch persönliche Befindlichkeiten können eine Rolle spielen, seien es Rückenschmerzen, Periodenkrämpfe oder andere Unannehmlichkeiten, die vielleicht nicht gleich eine Krankschreibung rechtfertigen, sich aber doch in den heimischen vier Wänden leichter und auch schneller kurieren lassen, als in der manchmal recht kargen und wärmearmen Atmosphäre eines Großraumbüros.

Doch wohin die Zukunft auch deutet, klar ist: Wir müssen uns anpassen, vor allem mental flexibler werden, um besser und vor allem gesünder durch die neue Zeit zu kommen. 

Neue Strukturen nötig

Mobile Gesundheitsförderung soll eben nicht nur managen, also verwalten. Mobile Gesundheitsförderung soll vorhandene Potenziale ausschöpfen, soll Leiden und Krankheiten gar nicht erst ausbrechen lassen. Dazu ist aber ein regelmäßiges, kein übertriebenes und vor allem kein erzwungenes Gesundheitswesen und -bewusstsein notwendig. 

Gesundheit sollte sich daher eben nicht nur auf Betriebe beschränken, sondern über technische Schnittstellen und unabhängige Partner organisiert sein. Eine eigene Organisation, beispielsweise über Krankenkassen, Wirtschaftskammern oder vergleichbare Gesellschaften organisiert, könnte Gesundheitsmanagement-Maßnahmen organisieren und koordinieren oder zumindest eine infrastrukturelle Basis schaffen.

In jedem Fall müssen wir einige Punkte neu denken: Gesundheit ist eine wichtige Ressource und die Pflege der Gesundheit der Menschen muss ins aktuelle Jahrhundert gezogen und gedacht werden. (Christian Allner, 16.1.2023)

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