Flora Morys Buchtipp macht mutige Frauen sichtbar.

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Mutig, aber zugleich auch betroffen macht das Buch von Jo Angerer. Der Journalist ist seit Jahren in jenen Ländern unterwegs, die zur Zerfallsmasse der Sowjetunion gehören und derzeit wenige Lichtblicke bieten: das von Kriegstreiber Wladimir Putin regierte Russland, das vom Erfüllungsgehilfen Alexander Lukaschenko regierte Belarus, die vom Krieg zerrüttete Ukraine und zahlreiche autokratisch regierte Ex-Republiken in Zentralasien.

Jo Angerer, "Wenn Widerstand weiblich ist". € 22,70 / 189 Seiten. Goldmann, 2022.
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Mutige Anführerinnen

Und dennoch schöpft Angerer Hoffnung aus seinen Recherchen – dank zahlreicher Begegnungen mit Frauen, die er in seinem Buch Wenn Widerstand weiblich ist festgehalten hat. Das aktuelle Werk – eine Reihe kurzweiliger Sachtexte samt Einordnungen von der Historikerin Carmen Scheide – handelt von mutigen Protagonistinnen, denen er im Zuge seiner Reisen im postsowjetischen Raum begegnet ist: etwa im Spätsommer 2020. Da berichtete Angerer als einer von wenigen europäischen Journalisten aus Minsk über die prodemokratischen Proteste und traf deren Anführerin Maria Kolesnikowa kurz vor ihrer Festnahme.

Und als sich in Aserbaidschan bei der EM 2021 alles um Fußball drehte, besuchte Angerer lieber ein verstecktes Schutzhaus für mutige Frauen, die sich entgegen patriarchaler Tradition von ihren gewalttätigen Männern getrennt haben. Vom Staat bekommen sie keine Hilfe: Festgeschriebene Frauenrechte gelten offenbar nur auf dem Papier.

Proteste von Minsk bis Wladiwostok

In den aktuellsten Kapiteln geht Angerer, der trotz Krieges weiterhin für STANDARD und ARD aus Moskau berichtet, auf ebendiesen ein – und beleuchtet die Rolle der Frauen in der Antikriegsbewegung. Weltweit bekannt ist die Protestaktion der Journalistin Marina Owsjannikowa im TV-Hauptabendprogramm des Staatsfernsehens. Zuletzt waren es einmal mehr Russinnen, die gegen die Teilmobilmachung protestierten, weil Männer bei einer Festnahme mit einer Einberufung an die Front rechnen müssen. Zwischen den Zeilen wird klar: Dass von Minsk bis Wladiwostok so viele Frauen für sich und andere aufbegehren, ist der brutalen Realität geschuldet. (Flora Mory, 10.12.2022)