Die Wienerin Carla Marie Lehner ist seit diesem Jahr die künstlerische Leiterin des This Human World Filmfestivals.

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Das Filmfestival This Human World ist seit fünfzehn Jahren eine Instanz im Wiener Winter, heuer erstmals unter der künstlerischen Leitung der 1994 geborenen Wienerin Carla Marie Lehner. Lehner studierte Soziologie und Kulturmanagement in ihrer Heimatstadt, bevor sie einen Master in Cultural Entrepreneurship im niederländischen Groningen abschloss. Dort kam sie mit Film in Berührung und fokussierte sich auf Dokumentarfilm und queerfeministische Netzwerkpraktiken – beides verbindet sie nun im Programm des Filmfestivals für Menschenrechte.

Wie erzählen?

Der Frage nach dem "Wie" des dokumentarischen Erzählens, insbesondere, wenn es um marginalisierte Personen geht, wird auf Lehners erster Festivalausgabe ein Workshop gewidmet sein: In "Storytelling in Question" diskutieren die Teilnehmenden mit dem Visibilities-Kollektiv über stereotype und eingefahrene Narrative. Um diese auch im Filmprogramm zur Diskussion zu stellen, gibt es nach den Filmscreenings zahlreiche Gelegenheiten, mit eingeladenen Filmschaffenden aus verschiedenen Ländern ins Gespräch zu kommen. Stattfinden wird das Festival in vier Wiener Kinos – Schikaneder, Topkino, Gartenbaukino, Stadtkino – sowie in der Brunnenpassage in Ottakring und der Favoritener Brotfabrik. Für Interessierte außerhalb Wiens gibt es ein Online-Angebot.

Diverse Formen und Themen

Neben den vier überschaubaren Wettbewerben, dem nationalen, internationalen und dem für Kurz- und Erstlingsfilme, gliedert sich das Programm heuer in fünf thematische Schwerpunkte: internationale Konfliktherde, Umwelt und Migration, Antisemitismus, Genderrechte und Arbeitsrealitäten.

Formate und Stile der Filme changieren zwischen kurz, lang, experimentell, dokumentarisch und narrativ, wobei es Lehner ein Anliegen war, vermehrt auf erzählerische Formen zu setzen. Diese ermöglichten einen spielerischen und leichteren Zugang zu den oft schweren Themen, gerade vor dem Hintergrund der gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen der letzten Jahre. Ohne die Augen vor Problemen zu verschließen, sei die Aufgabe des Menschrechte-Festivals schließlich auch, so Lehner, Zukunftsperspektiven und Hoffnung eine Leinwand zu bieten.

Frauen im Iran

Ein Festivalhöhepunkt Carla Marie Lehners sind die iranischen Filme, die sich allesamt mit der Position junger iranischer Frauen in ihrer Heimat beschäftigen. Im Eröffnungsfilm "Until Tomorrow" muss eine junge ledige Mutter einen Babysitter für eine Nacht finden, in "Forbidden Womanhood" geht es um sexuelle Gewalt, und "One Thousand Women" dokumentiert eine Gruppe iranische Ringerinnen.

Rollentausch: Während die junge Mutter Fereshteh raucht, hält die Freundin das Baby. Die Suche nach einem Babysitter in Teheran wird in "Until Tomorrow" zum Panorama gesellschaftlicher Zwänge.
Foto: MPW Premium

Der österreichische Wettbewerb fokussiert auf Dokumentarisches, bewegt sich aber von der Lobau-Besetzung aus auch in internationale Gefilde. Die Weltoffenheit des Festivals spiegelt sich schließlich in den Musikprogrammen der Nightline wider: DJs sämtlicher Herkünfte laden nach dem Kino zum ausgelassenen Feiern ein – darunter ist auch einer der Protagonisten des libanesischen Rap-Battle-Films "El Arena". (Valerie Dirk, 29.11.2022)