Der größte Teil der Zuwanderung kommt, wie auch in Deutschland, derzeit aus der Ukraine. Ohne diese neuen Bürgerinnnen und Bürger würde Österreich schrumpfen.

Foto:APA/dpa/Bernd Thissen

Österreich wird in den nächsten Jahrzehnten kräftig wachsen. Das liegt ausschließlich an der Zuwanderung. Ohne neue Bürgerinnen und Bürger aus dem Ausland käme das Sozial-, Gesundheits- und Pensionssystem schwer unter Druck.

Die Forderungen nach einem Aufnahmestopp für Zuwanderer mögen noch so laut hinausposaunt, die politischen Ansagen von "Sperren" diverser Routen für Asylsuchende noch so publikumswirksam kolportiert werden: Das neue Datenmaterial und die Prognosen der Statistik Austria sprechen eine sehr deutliche Sprache: Ohne Zuwanderung würde Österreich nicht weiter wachsen, sondern schrumpfen, was unabsehbare Folgen für die Finanzierung der Sozial-, Gesundheits- und Pensionssysteme mit sich bringen würde.

Bis 2080 würde Österreich von derzeit neun Millionen Einwohnern auf 6,7 Millionen schrumpfen. "Österreich würde auf das Niveau der 1950er-Jahre zurückfallen", sagte Tobias Thomas, Generaldirektor der Statistik Austria, am Mittwoch bei der Präsentation der neuen Bevölkerungsprognosen für Österreich.

Österreich wird jedenfalls erheblich wachsen. Während im Jahr 1951 noch 6,9 Millionen Menschen in Österreich lebten, sind es aktuell jene neun Millionen. Dieses Bevölkerungswachstum geht zügig weiter. Mitte der 2050er-Jahre wird Österreich die Zehn-Millionen-Marke überschreiten. Bis 2080 werden es 10,5 Millionen sein.

Starke Zuwanderung

Dieser Bevölkerungszuwachs in Österreich sei "ausschließlich mit der Zuwanderung begründet", sagte Thomas. Denn die Geburtenbilanz der österreichischen Bevölkerung fällt ab Mitte der 2020er-Jahre negativ aus.

Österreich wächst laut den Erhebungen der Statistik Austria gegenwärtig massiv und konkret durch Zuwanderung aus dem Kriegsgebiet der Ukraine. "Eine typische Entwicklung", sagte Thomas. Geopolitische Krisen lösten schon immer Wanderungsbewegungen aus. Das war beim Fall des Eisernen Vorhangs so, beim Zerfall Jugoslawiens ebenso wie im Syrien-Krieg.

Die meisten Zuwanderer, die im ersten Halbjahr in Österreich verblieben sind, fast 62.000, kamen heuer jedenfalls aus der Ukraine, mit Abstand gefolgt von Syrien (5454) und Deutschland (3197). Am Ende der Tabelle stehen Pakistan (146), Tunesien (110) und Marokko (45).

"Der verbreitetet Glaube, dass die Mehrzahl der Zugewanderten Männer sind, junge Männer, lässt sich mit Blick auf die Statistik nur teilweise bestätigen", sagte Statistik-Austria-Chef Thomas. Der Frauenanteil sei auch dort, wo man es weniger vermuten würde, weil die allgemeine Wahrnehmung eine andere ist, "sehr bemerkenswert". Rund die Hälfte der Zuwanderer aus Pakistan und Marokko sind Frauen, in der Gruppe aus Indien, Somalia oder Ägypten ist rund ein Drittel weiblich. In der großen Population der ukrainischen Geflohenen sind knapp 70 Prozent Frauen.

In Summe liegt die Zahl der Zugewanderten mit 232.000 bereits höher als im "Fluchtjahr" 2015. Bereinigt durch die Abwanderungszahlen bleibt die "Nettozahl" aber darunter.

Kärnten bleibt hängen

Das Bevölkerungswachstum lässt sich auch für die einzelnen Bundesländer entsprechend dem allgemeinen Trend prognostizieren. Am massivsten fällt die Vorausschau für Wien aus. Die Bundeshauptstadt wird bis 2040 um 14,2 Prozent wachsen und dürfte bis 2080 um 34,3 Prozent zulegen, im Vergleich zu 2021. Auch in anderen Bundesländern wird die Bevölkerung deutlich wachsen. In Vorarlberg etwa bis 2040 um zehn Prozent, bis 2080 um 22,6 Prozent.

Auch Niederösterreich wird bis 2080 um 20 Prozent mehr Bürgerinnen und Bürger registrieren. Einzig Kärnten verliert. Das südliche Bundesland wird als einziges in Österreich im Laufe der Jahre Bevölkerung verlieren. Bis 2040 0,5 Prozent, bis 2080 4,7 Prozent.

Lebenserwartung steigt weiter

Die Zahlen der Bevölkerungsentwicklung spiegeln natürlich die Lebenserwartung in Österreich wider. Und diese wird weiter kräftig steigen. 1951 hatten Männer eine Lebenserwartung von 62,4 Jahren. Heute sind es 78,9 Jahre, in die Zukunft geblickt, 2080, werden es 89,2 Jahre sein. Frauen werden 2080 im Schnitt 92 Jahre alt.

Eine Delle gab es allerdings in den Corona-Jahren 2021 und 2022, als die Lebenserwartung um 0,5 Jahre auf das Niveau des Jahres 2014 zurückfiel. Dieser Einbruch wird aber den weiteren Anstieg nicht stoppen. (Walter Müller, 30.11.2022)