Der wohl größte Unterschied zwischen Österreich und der Schweiz in der Bodenpolitik ist, dass es bei den Eidgenossen ein bundesweites Raumordnungsgesetz gibt.

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Die Schweiz wird immer wieder als Vorbild genannt, wenn es um die Eindämmung des Bodenverbrauchs geht. Was genau wird dort anders gemacht?

Zunächst einmal muss man wissen, dass auch die Schweiz weit weg ist vom Zielwert von 2,5 Hektar pro Tag, den man in Österreich bis 2030 erreichen will – aber immerhin nur um etwas mehr als das Doppelte. Das Schweizer Bundesamt für Statistik erhebt diesbezügliche Daten zwar nicht jährlich, sondern nur in mehrjährigen Zyklen. Die aktuellsten Zahlen stammen von 2018, damals lag der tägliche Verbrauch im Schnitt bei 5,7 Hektar.

Sämtliche Siedlungsflächen nahmen damals allerdings schon 3271 Quadratkilometer ein, acht Prozent der Landesfläche. In Österreich liegt dieser Wert bei sieben Prozent. Doch in der Schweiz geht es nun deutlich langsamer nach oben: Während zwischen 1985 und 1997 noch jährlich 27 Quadratkilometer an Siedlungsflächen dazukam, waren es zwischen 1997 und 2009 noch 23 und zwischen 2009 und 2018 nur noch 20 Quadratkilometer. In Österreich lag der Schnitt der letzten drei Jahre bei 41 Quadratkilometern. In der Schweiz ist man also deutlich flächensparender unterwegs als in Österreich.

Unmut über Großprojekt

Wie es dazu kam, erklärt Lukas Bühlmann, bis 2019 Obmann des Raumplanungsverbands Espace Suisse. Er verweist auf einen deutlichen wirtschaftlichen Aufschwung ab der Jahrtausendwende, als die Schweiz bilaterale Abkommen mit der EU abschloss. Starke Zuwanderung folgte, es wurde enorm viel gebaut: "Überall sah man Baukräne, das hat bald großes Unbehagen ausgelöst. Es hieß: ‚Das Land wird zugebaut‘", erinnert sich Bühlmann. Der ausufernde Zweitwohnungsbau war schon davor ein großes Thema gewesen.

Mitte der Nullerjahre brachte dann ein großes Projekt für die Ansiedlung eines Pharmaunternehmens im Kanton Freiburg das Fass zum Überlaufen. "Da wollte man 50 Hektar bestes Ackerland für verwenden." Es gab Demos, Umweltorganisationen starteten eine Landschaftsinitiative für eine Verfassungsänderung. "Ziel war ein völliges Bauzonenmoratorium für 20 Jahre", es sollte also überhaupt kein neues Bauland mehr ausgewiesen werden. Die Politik habe damit gerechnet, dass die Initiative große Chancen haben würde, "weshalb das Parlament einen indirekten Gegenvorschlag machte". In der Folge wurde das Schweizerische Bundesraumplanungsgesetz massiv verschärft. "Man kann jetzt nur noch Bauland ausweisen, wenn wirklich alle Nutzungsreserven im bestehenden Baugebiet ausgeschöpft sind. Gemeinden müssen den Nachweis bringen, dass es anders nicht mehr geht." Gleichzeitig mussten Gemeinden verpflichtend von einem kantonalen Richtplan, also einer überörtlichen Raumplanung, erfasst werden, wollten sie überhaupt noch neues Bauland ausweisen.

Breite Koalition in Volksabstimmung

Gegen das Gesetz wehrten sich allerdings der Schweizerische Gewerbeverband und der Hauseigentümerverband, berichtet Bühlmann. Deshalb kam es 2013 zu einer Volksabstimmung, die dann beinahe mit Zweidrittelmehrheit zugunsten der Gesetzesverschärfung ausging.

Noch heute ist der Experte über die breite Koalition der Befürworter in der damaligen Abstimmung erstaunt. "Die Umweltorganisationen waren natürlich dabei, aber es waren auch der Bauernverband und der Industrieverband im Boot." Und bis auf die Schweizerische Volkspartei (SVP) unterstützten auch alle Parteien die Initiative.

Bauland nur für 15 Jahre

Das Gesetz schreibt nun unter anderem vor, dass Gemeinden nur noch Bauland für 15 Jahre ausweisen dürfen; was darüber hinaus reicht, kann sogar entschädigungslos zurückgewidmet werden. "Aus diesem Grund war Wallis der einzige Kanton, wo das Gesetz mehrheitlich abgelehnt wurde – weil es dort schon damals Bauland für 40 Jahre gab", sagt Bühlmann.

Das Bundesraumordnungsgesetz gibt es in der Schweiz schon seit 1980, in Österreich ist das bekanntlich nicht so, hier ist die Raumordnung Ländersache. "Ich höre von Kolleginnen und Kollegen in Österreich immer wieder, dass sie uns darum beneiden", sagt Bühlmann.

Entschädigungslose Rückwidmungen

Was die Schweiz noch von Österreich unterscheidet, sind die erwähnten entschädigungslosen Rückwidmungen, die auch vor Gerichten standhalten. "Wir haben ein sehr planungsfreundliches Bundesgericht in der Schweiz", erklärt Bühlmann. "Da wird sehr großen Wert auf eine gute Raumplanung gelegt, und das heißt, dass man dann eben die Eigentumsrechte manchmal auch ein wenig zurückstellt."

In sehr vielen Fällen könne entschädigungslos rückgewidmet werden, sofern in einer Gemeinde der 15 Jahre währende Baulandbedarf überschritten wird. Auch die betreffenden Gemeinden müssten die Verluste dann nicht entschädigen, auch dazu gebe es Urteile. (mapu, 5.12.2022)