Gott und seine irdischen Vertreter blicken auf die Klosterschülerin Sabine (Leona Lindinger): Die folgende Erstarrung ist unausweichlich.

Foto: epo-Film / Ruth Mader Filmproduktion

Der Schutz, den der Gott der katholischen Überlieferung den gläubigen Menschen gewährt, ist an die Erfahrung des Schmerzes geknüpft. Das Gnadenlicht, das auf uns angeblich schwache Menschen fällt, ist brennend heiß. Mitunter verursacht es sogar moralischen Schwindel und Seelenpein. In dem Internatsfilm Serviam – Ich will dienen stehen die Zöglinge einer Klosterschule, allesamt Mädchen mit elf, zwölf Jahren, unter permanenter Beobachtung. Ruth Maders Film, der in den 1980ern spielt und vor Kälte klirrt, entwirft das Schreckensbild eines von Ambivalenzen zerrissenen Systems.

Allen wahrhaft Wohlgesinnten wird der Schutz durch Gott den Herrn in Aussicht gestellt. Zweiflerinnen – und welche heiligmäßige, dabei blutjunge Person würde nicht zuweilen von Zweifeln geplagt? – müssen dagegen mit Überführung und Bloßstellung rechnen.

In symmetrisch starren Aufnahmen wird das Innere der Anstalt zur Stätte der Abhärtung. Den ständigen Blicken durch geistliches Personal ausgesetzt, erstarren die Züge der Mädchen. Sie absorbieren die Forderungen, denen sie sich unterwerfen. Die kaum halbwüchsigen Anwärterinnen auf ein heiligmäßiges Leben gleichen von Anfang an den Statuen aus Holz und Gips, zu denen sie ehrfürchtig emporblicken. Auch wenn eine stille Aufsässige wie Außenseiterin Armo (Anna Elisabeth Berger) den Leib des Herrn in Form von Oblaten nicht etwa empfängt, sondern ihn heimlich in ein Schächtelchen sperrt und unterm Kopfpolster verbirgt.

Als Inbild der repressiv Liebenden fungiert das Leitungsorgan, eine junge Ordensfrau (Maria Dragus). Um ihr zu gefallen, malträtiert sich ihre vor Entschlossenheit sanfte Schülerin Martha (Sophia Gómez-Schreiber) eigenhändig mit einem Bußgürtel, um daraufhin, grässlich verletzt, von ihrer anstaltseigenen Förderin gepflegt zu werden: insgeheim, gegen jede Vorschrift.

Gefahr des Strauchelns

Im Feld der wechselseitigen Begehrlichkeiten ist es ein Leichtes für alle Schülerinnen, aber insbesondere für deren Glucke, die Nonne, zu straucheln. Prompt verwechseln einige von ihnen die Loyalität gegenüber Gott mit der selbstsüchtigen Liebe zur Nächsten. Emissäre aus der Außenwelt dringen allenfalls episodisch in diese Gebots- und Verbotszone ein, so Udo Samel mit einem bizarr diabolischen Auftritt als Gynäkologe. Er liest mit obszönem Behagen der Oberschwester einen angeblichen Kinderwunsch von den züchtig niedergeschlagenen Augen ab.

Die wahre Heldin dieser statischen Versuchsanordnung von einem Film ist jedoch die Kamera von Christine A. Maier. Der neurotischen Aufladung junger Seelen entspricht das panoptische Interesse an Blickachsen – und langen verwaisten Korridoren. Der Einsamkeit entspricht die Totale eines Hauses, dessen Fensterfront einem Kalender voller starrer Kerzenlichter entspricht. "Du brauchst dich vor dem Schrecken der Nacht nicht zu fürchten!", heißt es gleich eingangs im Gebet. Nie klang die Verheißung von Geborgenheit schrecklicher.

Gottes Liebe sollen diese ehrlich um ihr Seelenheil Besorgten allesamt nicht entgehen, auch wenn sie dazu das Stadium der Apokalypse durchlaufen müssen. Das Heil liegt im Ertragen von Fehlbarkeit und tödlichem Scheitern: So lautet wohl das Fazit dieses faszinierenden Films, der bebt – ob vor Sprödigkeit oder Inbrunst, ist nicht immer klar zu unterscheiden. (Ronald Pohl, 6.12.2022)