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Zeigt man "Freudenfreude", freut man sich mit anderen Personen, wenn ihnen gutes widerfährt.

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Die Schadenfreude ist bekanntlich ein erfolgreicher verbaler Exportartikel aus dem Deutschen. The Schadenfreude gibt es als deutsches Lehnwort im Englischen, la Schadenfreude im Französischen und auch noch in etlichen anderen Sprachen mehr. Weder "malicious joy" noch "joie sadique" sind befriedigende Äquivalente zum deutschen Gegenstück, daher hat man ja auch im Ausland zu diesem fremdsprachlichen Hilfsausdruck gegriffen.

"Freut mich, dass Sie sich wehgetan haben." "Danke, die Freude ist ganz meinerseits": Dialoge wie diese hört man nur selten. Denn Schadenfreude (vor allem offen gezeigte) ist keine populäre Emotion (vor allem nicht beim Geschädigten). Daher könnte der Verdacht aufkommen, die Bewohner der deutschsprachigen Länder seien von besonders bösartigem Naturell, wenn sie einen eigenen Begriff für diese Regung geschaffen haben. Das ist, obwohl Deutschland und Österreich historisch genug auf dem Kerbholz haben, natürlich nicht wahr, und man lacht auch in anderen Weltgegenden darüber, wenn Stan Laurel Oliver Hardy mit dem Finger ins Auge fährt oder Kevin (allein zu Haus) den Einbrechern Harry und Marv Ziegelsteine auf ihre kriminellen Schädel wirft: Au weh, haha.

Kürzlich hat die New York Times einen Artikel der kalifornischen Psychologin Juli Fraga publiziert, der zeigt, dass der Schadenfreude in den USA ein interessantes verbales Pendant zugewachsen ist, die "Freudenfreude" nämlich. Das Wort ist keine Erfindung von Fraga, sondern eine unter Psychologen gängige Bezeichnung für Akte der positiven Empathie. Schön, dass du in der Lotterie gewonnen, die Prüfung geschafft, die Frau / den Mann deines Lebens kennengelernt hast oder was immer sonst einem an Gutem widerfahren sein möge.

Fraga räumt ein, dass Schadenfreude ein Affekt ist, der nicht nur die Bosart befriedigt, sondern auch dazu dient, mit der eigenen Verletzlichkeit, Eifersucht oder Neid zurande zu kommen. Aber, so meint sie, es würde sich zwischenmenschlich auszahlen, das Gefühl der Schadenfreude hintanzustellen und die Freudenfreude zu kultivieren, so wie man einen Muskel durch konsequenten Gebrauch kräftigt. Jetzt wäre ja keine schlechte Zeit dafür. Auch wenn es noch so lustig ist, wenn den Nachbarn an den Feiertagen der Weihnachtsbaum abbrennt. (Christoph Winder, 09.12.2022)