Wenn politische Korruptionsskandale bekannt werden, sinkt auch das Vertrauen der Menschen in die Politik.
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Wenn ich in Deutschland beruflich unterwegs bin, kommt es im Moment sehr häufig vor, dass ich von Kolleginnen und Kollegen darauf angesprochen werde, was denn im Moment "in Österreich los wäre". Dabei beziehen sie sich auf den aktuellen ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschuss und diverse Chatnachrichten.

Natürlich verteidige ich mein Heimatland und sage, dass ich der juristischen Aufarbeitung der Vorgänge durch die österreichische Justiz vertraue. Allerdings ist schon alleine durch die weitverbreitete Wahrnehmung korrupter Politik ein erheblicher gesellschaftlicher Schaden in Österreich entstanden, der in der öffentlichen Diskussion eher vernachlässigt wurde.

Sinkendes Vertrauen schadet der Wirtschaft

Es geht darum, dass Korruption in hohen politischen Kreisen auf das Vertrauen und die Ehrlichkeit in der gesamten Bevölkerung abfärbt, und zwar negativ, wie viele Studien zeigen. Zwar gibt es auch im privaten Bereich Korruption, aber im öffentlichen Bereich unterminiert sie das Vertrauen von Bürgerinnen und Bürgern in die Integrität und die Fairness des Staates.

Unter Fairness versteht man zum Beispiel die Einstellung, dass das Anliegen jeder Person gleichbehandelt wird und es nicht der Fall ist, dass es sich manche Leute "richten" könnten. Die Integrität bezieht sich vor allem auf die Ziele, die durch öffentliche Repräsentanten verfolgt werden. Wenn das Ziel einer politischen Wende durch frisierte Umfragezahlen erreicht werden soll, dann untergräbt das die Integrität.

In der Forschung zeigen sich deshalb klare Zusammenhänge zwischen dem Ausmaß wahrgenommener (wie auch öffentlich aufgedeckter) Korruption im politischen Bereich und dem Grad, mit dem Menschen in einem Staat einander vertrauen. Vertrauen ist ein fundamentaler Faktor für ein gedeihliches Zusammenleben und für unseren wirtschaftlichen Wohlstand. Ein hohes Maß an Vertrauen macht wirtschaftliche Prozesse effizienter und fördert Investitionen. Ein Verlust an Vertrauen als Folge politischer Korruption kommt uns also teuer zu stehen.

Jugendliche, die mehr betrügen

Korruption wirkt sich auch negativ auf die Ehrlichkeit von Bürgerinnen und Bürgern aus. Kürzlich konnte ich in einer Fachzeitschrift lesen, dass Korruption in der Politik bereits das Verhalten der jüngsten Mitglieder in einer Gesellschaft beeinflusst. Konkret ging es in diesem Fall um eine Studie aus Mexiko, die untersuchte, wie die Veröffentlichung von Korruptionsfällen lokaler und regionaler Politiker sich auf das Betrugsverhalten von acht- bis 15-jährigen Schülern auswirkt. Der Autor, Nicolas Ajzenman, konnte zeigen, dass die Betrugswahrscheinlichkeit um zehn Prozent zunahm, wenn die Tests in zeitlicher Nähe zur Aufdeckung von Korruption standen. Zusätzlich konnte Ajzenman zeigen, dass die Jungen es in diesen Kommunen für deutlich weniger wichtig erachteten, sich an Regeln zu halten, als das in anderen Kommunen war.

Nun mag man hoffen, dass solche Effekte in Österreich nicht eintreten, aber aus verhaltensökonomischer Sicht gibt es wenig Gründe für die Hoffnung. Menschen reagieren weltweit erstaunlich ähnlich, wenn es um als unfair empfundenes Verhalten geht. Es kommt zu einer Erosion sozialer Normen von Fairness, Vertrauen und Ehrlichkeit. Das gilt auch für wahrgenommene Korruption. Daher ist Bekämpfung von Korruption so wichtig für unsere Gesellschaft. (Matthias Sutter, 14.12.2022)