Im Gastblog analysieren Klaus Schönberger und Roland Wolfgang Peball die Strategien des Klimaaktivismus und dessen Positionierung im politischen Diskurs.

Die Wogen gingen in Deutschland hoch, als Jan Böhmermann in der vorletzten Ausgabe des ZDF-Comedy-Formats "Magazin Royal" die neoliberale FDP mit der RAF verglich, indem er von einem "Lindner-Lehfeldt-Komplex" (in Anlehnung an den "Baader-Meinhof-Komplex") imaginierte. Schon zuvor hatte er auf Twitter für Wirbel gesorgt, als er mit einem fingierten Steckbrief und unter dem Hashtag #rafdp zur Verhaftung "linksradikaler Gewalttäter" aufrief – ganz im optischen und verbalen Stil alter RAF-Fahndungsplakate.

Was Böhmermann eigentlich tat, war allerdings auf sehr provokante Weise das Framing bestimmter vor allem rechter und konservativer Politdiskurse zu imitieren, in denen in letzter Zeit im Zusammenhang recht schnell von "linkem Terrorismus" einer neuen "Klima-RAF" die Rede ist, wenn es darum geht, die Protestaktionen der umweltaktivistischen Gruppe Letzte Generation zu kritisieren und vor allem zu diffamieren. Da gehört es noch fast zu den harmloseren Bezeichnungen, wenn die "Bild"-Zeitung am 11. Oktober dieses Jahres von "Klima-Chaoten" spricht.

In Österreich positioniert sich insbesondere die FPÖ in diesem Sinne. Die FPÖ – die im wissenschaftlichen Diskurs inzwischen zwischen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus eingeordnet wird (Hentges/Wiegel 2021) – verteidigt in besonderer Weise jene "imperiale Lebensweise", die zusammen mit einer auf fortwährendes Wachstum angelegten Industrieproduktion zu den Gründen zählt, warum sich der Klima-Aktivismus als "Letzte Generation" imaginiert und sein Handlungsrepertoire auf symbolischer Ebene gegenüber der Fridays-for-Future-Bewegung radikalisierte.

Die international agierende "Last Generation" hatte unter anderem mit Kartoffelbrei- und Fake-Öl-Attacken auf namhafte Werke der bildenden Kunst in Museen, Blockadeaktionen mittels Festklebens der Aktivistinnen und Aktivisten an Oberflächen und anderen Störaktionen an wichtigen Verkehrsknotenpunkten, zuletzt auf dem Rollfeld des Flughafens Berlin, die mit massiver Kritik und Attacken vonseiten beinahe aller politischer Parteien einherging, auf sich und ihre Anliegen aufmerksam gemacht.

Es mag kunstaffine und bildungsbürgerliche Menschen aufregen, wenn etwa das Gustav-Klimt-Gemälde "Tod und Leben" mit schwarzer Farbe beschmiert wird, ähnlich wie es Pendlerinnen und Pendler nervt, wenn sie wegen einer Protestaktion wichtige Zeit verlieren. Das macht wütend. Der emotionale Reflex ist verständlich und erklärbar. Die Frage, die sich angesichts des hier verhandelten Sachverhaltes aber stellt, ist: Darf Protest nerven? Und wenn ja, wie sehr muss uns dieser Protest nerven, um der Dringlichkeit seines Anliegens gerecht zu werden? Daher wird auch schon gefragt, ob wir nicht eine solche "Öko-Apo" benötigen, um zu Verstand zu kommen.

"Tod und Leben"

Fakt ist, der Klimawandel ist im Gang und vielfach belegt. Darüber besteht wissenschaftlicher Konsens. Gleiches gilt für die menschliche Beschleunigung desselben, auch wenn es Dispute über das Ausmaß seiner Beteiligung gibt. Der Begriff des Anthropozän verweist auf ebendiese menschliche Beteiligung an einer derzeit noch aufhaltbaren Entwicklung ("Last Generation"!). Fakt ist auch, dass zukünftige Generationen – ohne eine veränderte Klimapolitik – nicht nur in einer anderen Welt als der heutigen leben werden, sondern aller Voraussicht nach auch in einer schlechteren. Dass dies mit Tod und Leid vieler einhergehen wird, ist jener Aspekt, den die Letzte Generation schon mit ihrem Namen zugespitzt auszudrücken sucht.

Die Wahl des Klimt-Bildes erfolgte nicht etwa zufällig. Die Allegorie "Tod und Leben" zeigt einen grinsenden mit einer Keule bewaffneten Sensenmann, der sich einer Menschengruppe nähert, die ihn, die Augen verschlossen, nicht beachtet oder beachten will. Im Kontext der Protestaktion könnte Klimts Werk als Sinnbild für die Todesblindheit, speziell jene der Verantwortlichen und Beteiligten, gedeutet werden. So gesehen wurde Klimt hier neu kontextualisiert, auch wenn die Gefahr besteht, hierüber in das Fahrwasser und den Duktus apokalyptischer Prophezeiungen zu geraten.

"Tod und Leben" von Gustav Klimt.
Foto: Leopold Museum, Wien/Manfred Thu
Protestaktion am 15. November 2022.
Foto: APA/LETZTE GENERATION ÖSTERREICH

Doch auch die Wut ist auf der anderen Seite groß, dass genau diejenigen Verteidigerinnen und Verteidiger der "imperialen Lebensweise" und der durch sie hervorgerufenen Flucht- und Migrationsbewegungen zugleich auch jene sind, die rassistische Hetze betreiben und mit gewalthaft abgeschotteten Grenzen die Folgen ihres Tuns auf die Opfer abwälzen wollen. Tatsächlich nutzt nur ein kleiner Teil der Menschen – auch in Österreich und Deutschland – regelmäßig das Flugzeug als Verkehrsmittel, viele sind in ihrem Leben noch nie geflogen. Sich hier mit jenen zu verbünden, für die eine übermäßig ausgebaute Luftfahrtinfrastruktur keine Vorteile, ja sogar Nachteile bringt, ist den Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten durch ihre Aktionen bisher nicht gelungen. Die Frage ist aber, ob diese Menschen wirklich durch Argumente "abgeholt" werden können – oder ob nicht genau für diese Menschen eine Art "Gegenmythos" benötigt wird, der erst noch gefunden werden und von einem besseren Leben handeln muss.

Der Furor bedingt auch in den eigenen Reihen Skepsis. Eine wohlmeinende Kritik fragt, ob der Aktivismus der Letzten Generation ihrer Sache eher schadet anstatt zu nutzen. Diese Frage stellte sich historisch für alle Protestbewegungen, und ihre Beantwortung hängt zumeist vom Standpunkt der Betrachtenden ab. Oft ist diese Kritik der Kritik allerdings nur eine zynische und dient vor allem der Legitimation des eigenen impliziten Einverständnisses sowie der bequemen Haltung, man könne ja doch nichts tun. Die Letzte Generation tut was, und daher regt uns dieser Aktivismus auf.

Solidarität und Rückhalt aus Kultur und Wissenschaft

Die Frage ist nämlich, ob die Tatsache, dass ihre Aktivitäten nur wenig Solidarität erzeugen, an der Form des Protestes liegt, oder ob dies nur ein Vorwand ist, so weitermachen zu können wie bisher. Allerdings lässt sich inzwischen auch der Eindruck gewinnen, dass es durchaus gesellschaftliche Gruppen gibt, die sich mit den Aktivistinnen und Aktivisten solidarisieren. Sei es der Aufruf aus dem Kulturbereich ("Klimaschutz ist kein Verbrechen – Solidarität mit der Letzten Generation") oder etwa durch die Intervention des Peng!-Kollektivs in der deutschen Wochenzeitschrift "Spiegel". Unter der Überschrift "Es gibt ein richtiges Kleben im Falschen" wird konstatiert: "Doch der Wind dreht sich langsam. Es werden immer mehr, die Verständnis für die Early Adopters der Letzten Generation haben. Auf Partys, in Kommentaren, der Applaus wird lauter. Im Livestream ihrer Flugblockade hörten wir den Sicherheitsmann sagen 'Ich hab doch selbst zwei Kinder, aber was soll ich denn machen?'"

Ihre Aktionen zielen auf Aufmerksamkeit und versuchen, Dringlichkeit zu beschwören. Dringlichkeit, die nicht nur ihnen – sondern auch großen Teilen der Wissenschaft – mehr als gegeben erscheint: Die Erreichung der weltweiten Klimaziele liegt in weiter Ferne. Bereits die von Barack Obama adaptierte Bezeichnung Letzte Generation verweist auf dieses zeitliche Moment. Die Klagenfurter empirische Kulturwissenschafterin Alexandra Schwell, die sich wissenschaftlich mit dem Thema der Dringlichkeit auseinandersetzt, forderte jüngst, dass das Klimathema nach der alles beherrschenden Pandemie zurück auf die Tagesordnung gehört. Das haben die jüngsten Aktionen der Letzten Generation immerhin bewirkt.

Wenn Isolde Charim ("Falter", 47/2022) dem "Überzeugen von Mehrheiten" die "Inszenierung von Dringlichkeit" entgegensetzt, so dementiert sie ihren Einwand gleich selbst, wenn sie darauf verweist, dass dem "unglaublichen Erfolg" der netten Kiddies von Fridays for Future kein "adäquates politisches Handeln" gefolgt sei. So habe sich "diese Unschuldsform des juvenilen Protests" quasi zu Tode gesiegt. Der gegenwärtige Klimaprotest aber sei – unter Anspielung auf ihre Ausflüge ins Museum nur eine "Dada"-Aufführung. Geht es tatsächlich um das Überzeugen? Dafür sind die Aktionen tatsächlich kein geeignetes Mittel.

Das Peng!-Kollektiv entwickelt im bereits erwähnten "Spiegel"-Artikel indes unter der Überschrift "Es gibt ein richtiges Kleben im Falschen" eine abweichende Sicht. Hier heißt es: "Was der Aufstand der Letzten Generation gerade macht, ist genial. Je mehr sie stören, desto mehr fühlen wir uns ertappt. Die erste Reaktion war Abwehr, damit wir weiter verdrängen können. (...) Die Aktionen zwingen uns zu einer Reaktion."

Und das ist der Punkt. Sie nerven, sie stören, aber sie bewirken das Gegenteil von einer "Stilllegung", wie sie Charim unterstellt. Sie erzwingen eine Reaktion. Und das ist ein großes politisches Verdienst in der gegenwärtigen allerorten spürbaren Ohnmacht. Es geht in diesem Sinne um eine Ermächtigung, mit der die feindliche Übernahme des Protests von Fridays for Future beantwortet werden kann.

Fragen der Berechtigung und Klassifizierung

Das Zeitfenster, die größten Katastrophen abzuwenden, schließt sich rapide, und die Mühlen der Weltpolitik mahlen in diesem Zusammenhang viel zu langsam: Die Ergebnisse der letzten Klimakonferenz im ägyptischen Sharm el-Sheikh erschienen selbst zynischen Betrachtenden des politischen Parketts kaum mehr erträglich.

Vor diesem Hintergrund und aus der Perspektive der kulturwissenschaftlichen Protestforschung mögen die Protestaktionen der Letzten Generation zwar verzweifelt erscheinen, sie sind aber in jedem Fall zugleich auf der Höhe der Zeit. Die Versuche, die Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten als "extremistisch" oder gar als Terrororganisation zu etikettieren, sind politisches Kleingeld und durchschaubar. Und wenn man die Reaktionen derselben Journalistinnen und Journalisten beziehungsweise Politikerinnen und Politiker auf die Umsturzplanungen der Reichsbürger-Szene vergleicht, dann wird evident, was Jan Böhmermann zeigen wollte.

In diesem Sinne erscheint es sinnvoll, begriffliche Differenzierungen einzuführen. Zweifelsohne lassen sich die Aktionen der Letzten Generation als radikal bezeichnen, weil ihr Protest auf die Wurzel des Übels verweist. Dieser Begriff ist allerdings schwierig geworden, seitdem sich der falsche Begriff des "Rechtsradikalismus" durchgesetzt hat. Radikal zu handeln, meint eben etwas anderes, als "extremistisch" im Sinne von gewalttätig und rassistisch zu sein. Rechtsextremismus wiederum ist eben nicht radikal, weil er die Ursachen und Wurzeln gesellschaftlicher Probleme verkennt oder gar böswillig andere Menschen für die Beibehaltung der eigenen Privilegien dominieren will. Der Klimaaktivismus möchte vielmehr eine lebenswertere Welt für alle bewirken, und das macht einen fundamentalen Unterschied aus.

Die Aktionen der Letzten Generation sind weder gewalttätig, noch zielen sie in den Museen auf die Zerstörung von Kunstwerken. Alle Kunstwerke konnten gereinigt werden, und der Vorwurf, den Tod einer Radfahrerin in Berlin mitverschuldet zu haben, wurde inzwischen entkräftet, wie sogar die konservative und den Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten wenig wohlgesonnene "Welt" einräumen musste. Die Festgeklebten wurden nach kurzer Verzögerung entfernt, und selbst die Blockade des BER verweist eher auf einen Mangel bei den Sicherheitsmaßnahmen des Flughafens als auf einen Anschlag auf die Flugsicherheit. Sie besitzen keine Waffen, ihre "Waffen" sind ihre Körper und eine Entschiedenheit, die uns Beine macht.

Klientelpolitik und außerparlamentarische Strategien

Dass sich bestimmte wirtschaftsnahe, konservative und rechtspopulistische Akteurinnen und Akteure in Medien und Politik so auf diese Gruppierung einschießen und in Law-and-Order-Manier (fälschlich) den Rechtsstaat anrufen, kann und muss als gezielte Strategie verstanden werden, um genau von jenen Problemen abzulenken, die die Letzte Generation anprangert und deren politische Lösung nach wie vor auf sich warten lässt. Das "Terrorismus"-Framing dient dabei sowohl der Befriedigung und Ansprache der eigenen Klientel als auch der Diffamierung politischer Gegnerschaft und deren Ausschluss aus dem Diskurs.

Die Grünen – sowohl in Österreich als auch in Deutschland in Regierungsverantwortung – hingegen sind ein Ergebnis sozialer Bewegungen (68er-, Ökologie-, Friedens- und Frauenbewegung und so weiter). Sie werden nun daran erinnert, dass demokratische Erfolge nicht aufgrund der Einbindung in Parlamente oder Regierungen entstehen, sondern nur im Zusammengehen (nicht immer im Einvernehmen) mit außerparlamentarischen Bewegungen möglich sind. Die Letzte Generation ist eine Bewegung, die das Einvernehmen in Koalitionen stört, aber ohne das Produktivmachen dieser Störungen werden sich die Grünen historisch selbst ad absurdum führen.

Gespiegeltes Framing

Wenn jetzt die Auguren der "imperialen Lebensweise" (zum Beispiel Ulf Poschardt in der "Welt") und die in zahlreichen bundesdeutschen Medien als rechtsextrem angesehene AFD Böhmermanns Satire wiederum als Vorwand nehmen, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk anzugreifen, dann zeigt es, wie Böhmermanns Methode wirkt. Er hat den rhetorischen Spieß der politischen Propaganda umgedreht, indem er mutwillig Verbindungen und Ähnlichkeiten ("Auch Andreas Baader fuhr gerne Porsche") zu einer Terrorismuserzählung über die FDP verdichtet hat. Er hat auf paradoxe Weise vorgeführt, wie haltlos derlei Terrorismus-Framings sind.

Die Wut über Böhmermann zeugt am ehesten davon, dass diejenigen, denen er den Blick in den Spiegel schonungslos vorgehalten hat, sich ob ihrer eigenen Vorgehensweise blamiert sehen.

Loslösung von Untergangsszenarien und reflexive Radikalisierung

Postscriptum: Die eigentliche Kritik an der Letzten Generation ist dabei noch nicht geleistet. In diesem Sinne gilt es, den Generationsbegriff zu hinterfragen. Der Diskurs, der die Anstrengungen des Klimaaktivismus zu einem Generationenkonflikt macht, ist analytisch wie politisch problematisch, weil er unsichtbar macht, dass eben nicht alle Boomer und nicht alle "Alten" für die historische Entwicklung des ungebremsten Kapitalismus verantwortlich sind. Auf diese Weise werden (implizit) historische Kämpfe unsichtbar gemacht, die es eigentlich zu beerben gilt.

Der Begriff Letzte Generation ist der Aufmerksamkeitsökonomie geschuldet, könnte so gesehen aber auch genealogisch gedacht werden. Es käme aber darauf an, Bündnisse zu schließen und gleichzeitig die Radikalität konstruktiv – im Sinne einer reflexiven Radikalisierung – weiterzuentwickeln. Ferner wäre nochmals zu hinterfragen, inwiefern Untergangsszenarien beziehungsweise -rhetoriken nicht auch demobilisierend wirken. Soziale Bewegungen waren immer erfolgreich, wenn sie eine andere, bessere Zukunft erzählt und eine attraktivere soziale Praxis anzubieten hatten. In diesem Sinne wäre nochmals an das Peng!-Kollektiv anzuknüpfen: "Sie geben ihrem Leben eine Bedeutung." (Klaus Schönberger, Roland Wolfgang Peball, 15.12.2022)