Peter-Michael und Sandra Reichel: "Wir konzentrieren uns darauf, einen tollen Tennisevent auf die Beine zu stellen."

Foto: Diriyah Tennis Cup / Alexander Scheuber

Aufschlag in Saudi-Arabien. Das Land will ein Bild der Moderne erzeugen, Tennisprofis helfen mit.

Foto: Diriyah Tennis Cup / Alexander Scheuber

Sandra Reichel grüßt via Facetime aus ihrem temporären Büro in Diriyah, einem Vorort der saudischen Hauptstadt Riad. Sie kümmert sich um zwölf Tennisstars, darunter Dominic Thiem und Alexander Zverev, die auf Reichels Einladung für ein hoch dotiertes Einladungsturnier angereist sind. Ihr Vater Peter-Michael steht zu Beginn des Telefonats bei ihr, sie erlaubt sich einen Scherz und sagt, der Papa ziehe das Geschäft an Land, die Tochter setze es dann um. Wie kommen die Reichels dazu, in Saudi-Arabien ein Tennisturnier zu veranstalten? Sandra Reichel gibt ihr Handy weiter. Da müsse man ihren Vater fragen.

Peter-Michael Reichel: Ein alter Bekannter aus der Schweiz organisierte Boxkämpfe in Dschidda und kannte dadurch Leute im saudischen Sportministerium. Er hat mich gefragt, ob wir gemeinsam Tennis nach Saudi-Arabien bringen wollen.

STANDARD: Was erhoffen Sie sich vom Turnier?

P.-M. Reichel: Es ist eine gute Gelegenheit, Kontakte zu knüpfen, unser Netzwerk zu stärken. Hier kommen wir den Spielern, ihren Managern und Familien nah. Das hilft in der Zusammenarbeit über das ganze Jahr, auch für unsere anderen Interessen. Denn wir organisieren ja auch Turniere in Hamburg und Linz. Am Anfang einer Tennissaison fällt der Austausch leichter als mittendrin.

STANDARD: Wollen Sie etwas bewirken?

P.-M. Reichel: Natürlich ist es für uns ein Geschäft. Es ist aber auch eine Brücke, die man in den Westen baut. Wir sehen, wie schnell sich die Dinge ändern. Es ist enorm, was sich bei den Menschen- und Frauenrechten vorangeht. Da spüren wir als Veranstalter aus dem Ausland deutliche Fortschritte im Vergleich zu unserem ersten Turnier hier.

STANDARD: Wie sind die Rückmeldungen auf den Event?

P.-M. Reichel: Sehr gut. Klar, das Wort Sportswashing fällt immer schnell. Richtig ist auch: Die Menschen hier sind sportbegeistert – und zeigen das auch. Es macht wirklich Spaß zu sehen, wie ausgelassen das Publikum auf den Court hier mitgeht.

2019 fand der Diriyah Tennis Cup zum ersten Mal statt, auch damals unter der Leitung der Reichels. Nach einer dreijährigen Pause ist das Turnier an Prestige gewachsen. Die Spieler tragen größere Namen, auch abseits des Platzes wurden Größen des Sports geladen. Weitere fragen soll die Tochter beantworten, sagt Peter-Michael Reichel.

STANDARD: Welches Feedback bekommen Sie?

Sandra Reichel: Die Leute sind dankbar und froh über unsere Aktivitäten. Judy Murray besuchte die Frauenuniversität und Schulen und gab dort Tennisstunden. Es ist schön, Tennis als ein Vorbild in dieser Sportart in das Land zu bringen. Das ist einfach großartig und beeindruckt mich. Dazu haben wir weitere Experten im Team wie Barbara Schett, Mats Wilander, Severin Lüthi und Thomas Johansson.

STANDARD: Wie stellen Sie sicher, dass Sie mit den Aktivitäten in keiner Blase agieren und tatsächlich die Bevölkerung erreichen?

S. Reichel: Wir arbeiten mit dem saudischen Tennisverband, dessen Präsidentin ist übrigens eine Frau (Areej Mutabagani, Anm.). Auch mit dem Sportministerium gibt es eine Kooperation. Es bringt nichts, hierherzukommen, das Turnier einmal zu machen und dann wieder zu gehen. Das Ziel ist, hier nachhaltig etwas auf die Beine zu stellen. Wir machen mehr als ein normales Tennisturnier.

STANDARD: Amnesty International spricht von Sportswashing, Experten sehen eine Instrumentalisierung des Sports. Können Sie damit leben?

S. Reichel: Für mich zählt: Wir konzentrieren uns darauf, einen tollen Tennisevent auf die Beine zu stellen. Ich bin keine Politikerin und schaue voll auf den Sport und finde, dass Tennis großes Potenzial in diesem Land hat. Die Fans hier sind so enthusiastisch und dankbar. Es war schön zu sehen, wie es den Frauen getaugt hat, mit Judy Murray ein paar Bälle zu schlagen. Das ist das, was ich sehe, fühle und als direktes Feedback mitnehme.

STANDARD: Was hat Saudi-Arabien im Breitensport vor?

S. Reichel: Hier sollen Sportakademien entstehen. Es ist viel in Entwicklung. Derzeit gibt es so gut wie keine Tennisklubs oder -vereine. Dazu muss man an den Wurzeln beginnen, in Kindergärten, in Schulen, man muss Trainer ausbilden. Das ist eine große Aufgabe, ein tolles Ziel, denn die Begeisterung ist entfacht. Auch unser Turnier hilft dabei.

STANDARD: Gleich mehrere TV-Stationen übertragen das Turnier.

S. Reichel: Weltweit gibt es großes Interesse, wir sind mit dem Turnier in 150 Ländern präsent. Das hängt natürlich mit der Weltklasse-Besetzung zusammen: Fünf Spieler aus den Top Ten sind hier, wir sind begeistert.

STANDARD: Mehr als drei Millionen Euro beträgt das Preisgeld. Zahlen Sie zusätzlich Antrittsgelder?

S. Reichel: Ja, die gibt es, wie bei anderen Top-Turnieren auch. Aber das Preisgeld lockt. Das sorgt für Wettkampfcharakter – kein Vergleich zu klassischen Schaukämpfen.

STANDARD: Für Saudi-Arabien ist Geld kein Problem, oder?

S. Reichel: Man spürt, dass ihnen solche Sportevents ein Anliegen sind. Aber das Geld wird nicht nach dem Gießkannenprinzip verteilt. Es wird schon darauf geachtet, welcher Sport sich nicht nur in der Spitze, sondern auch in der Breite etablieren kann.

STANDARD: Bei 30 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern gibt es einen Markt, der erobert werden kann. Sie sind in der Pole-Position?

S. Reichel: Das mag so scheinen, ganz sicher sind wir mit den Gegebenheiten hier vertraut und haben persönliche Kontakte aufgebaut. Ich hoffe, man wird nicht vergessen, wer die Pioniere waren.

STANDARD: Werden Sie als Frau in leitender Funktion respektiert?

S. Reichel: In meinem Team arbeiten viele Frauen, die Musik kommt etwa von einer DJane. Wir haben keine Probleme. Kürzlich fand in Dschidda ein Turnier für Mädchen statt. Unser Ziel ist, im nächsten Jahr auch Frauen im Turnier zu haben. (Lukas Zahrer, 10.12.2022)