Apples Airtags werden auch laut Polizeiunterlagen immer wieder als Stalking-Instrument missbraucht.

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Vor etwa anderthalb Jahren brachte Apple ein neues Zubehör auf den Markt. Die Airtags sollen helfen, Dinge zu finden. Etwa verlegte Handtaschen oder verloren gegangene Rucksäcke. Auch Gepäckstücke lassen sich damit orten, wie manche Nutzer bereits nachwiesen. Das ist freilich praktisch, wenn der Flughafenlogistik ein Fehler unterläuft und der Koffer Umwege nimmt.

Doch der harmlos klingende Einsatzzweck bietet Missbrauchspotenzial, das auch schon vielfach genutzt wurde. Versteckt platziert dienen die Tracker auch dazu, Menschen nachzuspionieren. Einige Stalking-Fälle sind seit dem Marktstart der Tags auch bereits bekannt geworden. Zwei Frauen strengen nun eine Sammelklage gegen Apple an, berichtet die CBC.

Die Airtags stützen sich auf das weltweit hohe Aufkommen an Geräten des Konzerns und Bluetooth. Beides dient heute schon zur Umsetzung der "Finde mein"-Funktion, um verschollene Geräte zu orten. Über GPS verfügen die Airtags nicht, ihre Position wird aber mittels in Bluetooth-Reichweite befindlicher iPhones und iPads, die zumindest mit iOS bzw. iPad OS 14.5 laufen, verortet.

"Waffe der Wahl für Stalker"

Nach Ansicht der Klägerinnen hat das Unternehmen bisher nicht genug getan, um die Stalking-Gefahr zu unterbinden, obwohl es die Airtags als "stalker-proof" – also abgesichert gegen Stalking – bezeichnet hat. Die Airtags selber können mit einem Geräusch auf sich aufmerksam machen und "klingeln" auch, wenn sie länger nicht mehr verbunden wurden und Bewegung registrieren, das allerdings recht leise und dezent. Der integrierte Lautsprecher lässt sich außerdem relativ einfach zerstören. Mitunter werden derart modifizierte Tracker auch als "Silent Airtags" weiter verkauft.

Mit 40 pro Stück Euro sind die Tags verhältnismäßig günstig zu bekommen. Apple selbst hat auf die nach dem Start schnell aufkommende Besorgnis mittlerweile reagiert. iPhones können die Präsenz unbekannter Airtags vermelden. Eine Android-App namens "Tracker Detect" soll ebenfalls auf deren Präsenz hinweisen. Auch Dritthersteller-Tools wie "Airguard" können sie erkennen. Das setzt allerdings voraus, dass sie auch genutzt werden und Bluetooth stets aktiviert ist. Und selbst dann ist eine Erkennung nicht garantiert.

In der Klagsschrift, die in San Francisco eingebracht wurde, werden die runden Ortungsgeräte als "Waffe der Wahl von Stalkern und Missbrauchstätern" bezeichnet. Man sieht die Verantwortung für derlei Fälle beharrlicher Fälle bei Apple.

Bereits zahlreiche Fälle

Der Konzern selbst äußerte sich noch nicht zur Klage, hat in der Vergangenheit aber bereits eingestanden, dass "böswillige Akteure" die Airtags missbräuchlich verwenden würden. US-Polizeiaufzeichnungen belegen dies ebenfalls. Motherboard veröffentlichte im vergangenen April eine Auswertung von Akten zu 150 Fällen, in denen die Geräte erwähnt wurden. In 50 davon riefen Frauen die Exekutive, weil sie auf ihrem Gerät einen Hinweis bekamen, dass ein fremdes Airtag seit einiger Zeit in ihrer Nähe sei.

25 Mal konnten sie (Ex-)Partner oder Vorgesetzte benennen, die sie der Platzierung des Airtags zum Zwecke des Stalkings verdächtigten. In mehreren Fällen gab es auch bereits eine Vorgeschichte mit bedrohlichem oder gewalttätigem Verhalten ehemaliger Lebensgefährten. Auch prominente Personen dokumentierten bereits Stalkingversuche, etwa das amerikanische Model Brooks Nader, die daraufhin eine Warnung an ihre damals 800.000 Instagram-Follower aussprach.

Airtags in Auto und Kinderrucksack versteckt

Die Klägerinnen geben an, auch selber bereits betroffen gewesen zu sein. Eine berichtet, dass es ihrem Ex-Freund so gelungen war, ihren neuen Wohnort herauszufinden. Er hatte ein Airtag in der Ersatzradmulde ihres Autos versteckt. Die andere gibt zu Protokoll, dass ihr infolge von Beziehungsstreitigkeiten getrennt lebender Ehemann sie nachverfolgen konnte, nachdem er einen Tag im Rucksack ihres gemeinsamen Kindes platziert hatte.

Andere Betroffene in den USA können sich der Klage anschließen. Die Klägerinnen streben Schadenersatz in bislang nicht spezifizierter Höhe an. (gpi, 10.12.22)