Wiener Ambulanz: Geht es nach der Stadt, sollen Niederösterreicher oder Burgenländer künftig draußen bleiben.

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Für die Ärztekammer ist es eine "politische Bankrotterklärung", für die Stadtverwaltung hingegen eine Art Notwehrakt: Der Wiener Gesundheitsverbund hat angeordnet, dass "Gastpatienten" aus anderen Bundesländern in den Spitälern der Hauptstadt nur mehr in Ausnahmefällen behandelt werden sollen.

Wer etwa aus einem Notfall wie etwa einem Herzinfarkt eingeliefert wird, werde natürlich weiterhin versorgt. Das gleiche gelte für Behandlungen, die nur in Wien angeboten werden. Doch alle weiteren Hilfesuchenden sollten sich an eine Einrichtung in jenem Land wenden, in dem sie ihren Hauptwohnsitz haben.

Grund ist die Überlastung der Spitäler: Die aktuelle Welle an Grippeerkrankungen und grippalen Effekten lässt nicht nur die Zahl der Patienten steigen, sondern verschärft den seit Corona ohnehin drückenden Personalmangel noch weiter. Da fallen "Gäste" aus den Bundesländern – laut Gesundheitsverbund 20 Prozent aller Patienten – umso mehr ins Gewicht.

Ein verständlicher Akt also? Michaela Wlattnig, Vorsitzende der österreichischen Patienten- und Pflegeanwälte, hält die Abweisungen für ein "ungeeignetes Mittel", um die Situation entscheidend zu verbessern. Die Spitäler könnten die Menschen ja nicht einfach blindlings wegschicken, sondern müssten erst prüfen, ob ein Notfall vorliege, sagt sie im Gespräch mit dem STANDARD. Dazu brauche es erst recht Ärztinnen und Ärzte – weshalb sich in überfüllten Ambulanz nur begrenzt etwas ändern dürfte. Manche potentiellen Spitalsbesucher mögen sich durch die Ankündigung abhalten lassen, glaubt Wlattnig, "aber ich erwarte nur eine marginale Entlastung".

Versäumnisse der Vergangenheit

Bevor die Grippewelle nicht abebbe, werde sich die Situation schwer entschärfen lassen, befürchtet die Patientenanwältin. Um in Zukunft besser gewappnet zu sein, müssten die Akteure im Gesundheitssystem aber endlich überfällige Verbesserungen auf den Weg bringen: Eine davon seien Datenbanken, um Patienten dorthin leiten zu können, wo Spitäler und niedergelassene Kapazitäten frei haben – und zwar möglichst auch über die Bundesländergrenzen hinweg: "Gerade in Krisenzeiten sollte Solidarität hochgehalten werden."

Andere Versäumnisse der Vergangenheit sieht Wlattnig in den mangelhaften Arbeitsbedingungen. Um mehr Menschen für die Arbeit in Spitälern zu begeistern, müsse die Bezahlung ebenso verbessert werden wie die Verlässlichkeit der Dienstpläne: Wer ständig sein Privatleben über den Haufen hauen muss, gibt irgendwann frustriert auf.

Werde nicht gegengesteuert, dann drohten Krisen wie die aktuelle in Wien die Situation immer weiter zu verschärfen. Zwar sei die notwendige Versorgung nicht gefährdet, sagt Wlattnig: "Doch ich fürchte, dass nach einer solchen Erfahrung nur noch mehr Arbeitskräfte abspringen." (Gerald John, 10.12.2022)