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Gegen die Hinrichtungen wird international protestiert – wie hier in New York City.

Foto: APA / Getty / Spencer Platt

Teheran – Wegen der schweren Menschenrechtsverletzungen im Iran verhängt die EU weitere Sanktionen. Die Außenminister der 27 Mitgliedsstaaten beschlossen am Montag in Brüssel einstimmig neue Strafmaßnahmen gegen Verantwortliche in dem Land, wie mehrere Diplomaten der Nachrichtenagentur dpa bestätigten. Konkret soll es demnach um etwa 20 Personen und eine Organisation gehen. Zudem wurden auch weitere Sanktionen gegen den Iran wegen der Unterstützung des russischen Krieges gegen die Ukraine beschlossen.

Nach Angaben von Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock treffen die Strafmaßnahmen auch für die jüngsten Hinrichtungen Verantwortliche. Kurz vor dem Beginn des Außenministertreffens war bekannt geworden, dass iranische Behörden im Zuge der systemkritischen Proteste einen zweiten Demonstranten hinrichten ließen. Der wegen "Kriegsführung gegen Gott" angeklagte Majid-Resa Rahnavard wurde nach Angaben der Justiz am Montag in der Stadt Mashad im Nordosten des Landes öffentlich gehängt. Der Mann soll während der Proteste im November zwei Mitglieder der berüchtigten paramilitärischen Basij-Miliz mit einem Messer getötet haben.

Der 23-jährige Majid-Resa Rahnavard war nach Angaben auf Mizan am 17. November verhaftet worden. Innerhalb von 26 Tagen wurde er angeklagt, zum Tode verurteilt und hingerichtet. Einen rechtlichen Beistand hatte er Online-Berichten zufolge nicht. Neben der Tötung der beiden Milizangehörigen soll er auch vier weitere verletzt haben.

Die Nachricht der Hinrichtung löste im Iran landesweit Empörung und Wut aus. "Wer Wind sät, wird Sturm ernten" oder "Wir werden das Blut der Unschuldigen rächen" waren wütende Reaktionen der Systemgegner in sozialen Medien. Die regierungsnahe Tageszeitung "Resalat" schrieb hingegen: "Begnadigung ist gut, aber im Islam ist Gerechtigkeit wichtiger."

Video: Im Iran ist das zweite Todesurteil im Zusammenhang mit den anhaltenden Protesten vollstreckt worden.
DER STANDARD

Weitere Hinrichtungen drohen

Eine weitere Hinrichtung wurde Medienberichten zufolge vorläufig verschoben. Der ebenfalls wegen "Kriegsführung gegen Gott" verurteilte Mahan Sadrat sollte demnach am Sonntag im Rajaei-Shahr-Gefängnis westlich der Hauptstadt Teheran gehängt werden. Der 23-Jährige soll während der Proteste ein Basij-Mitglied mit einem Messer verletzt und dessen Motorrad angezündet haben.

Für internationale Aufregung sorgt auch die drohende Hinrichtung von Hamid Ghareh Hasanlou. Der 53-jährige Radiologe und seine Frau Farzaneh sollen in Haft zudem schwer misshandelt worden sein. Sie wurden laut Berichten zu 25 Jahre Haft verurteilt. Der Weltärztebund WMA wandte sich in einem offenen Brief an die iranische Führung und forderte ein Moratorium für die Todesstrafe.

Bereits am letzten Donnerstag war der Rap-Musiker Mohsen Sekari hingerichtet worden. Auch er soll ein Basij-Mitglied mit einer Waffe angegriffen, Schrecken verbreitet und eine Straße blockiert haben. Seine Hinrichtung wurde im In- und Ausland scharf verurteilt. Insgesamt stehen Medienberichten zufolge mindestens 25 Demonstranten auf der Todesliste der iranischen Justiz – zwei von ihnen wurden bereits hingerichtet.

Demonstrationen nach Tod von Mahsa Amini

Die "Basijis", freiwillige Milizen der iranischen Revolutionsgarden, werden im Iran unter anderem zur Unterdrückung von Protesten eingesetzt. Sie gelten als die treuesten Anhänger des Systems, von denen gesagt wird, sie seien bereit, ihr Leben als Märtyrer zu opfern. Auch bei den jüngsten Protesten gingen die Basijis laut Augenzeugen gegen die Demonstranten äußerst brutal vor. Daher richten sich die Wut und Aggressionen der Demonstranten insbesondere gegen die Basij-Milizen. Unter den in den vergangenen zehn Wochen im Zusammenhang mit den Demonstrationen ums Leben gekommenen Polizei- und Sicherheitskräften sollen sich vor allem Basijis befinden.

Moderate Kreise im Land warnen vor einer weiteren Eskalation und fordern unter anderem Neuwahlen, um die politische Krise im Land friedlich zu beenden. Für sie sind Präsident Ebrahim Raisi, seine Regierung sowie die Hardliner im Parlament und in der Justiz nicht mehr tragbar. Beobachtern zufolge rückt eine derartige Option nach der Hinrichtung des zweiten Demonstranten und der voraussichtlichen Vollstreckung weiterer Todesurteile allerdings in weite Ferne.

Auslöser der Proteste im Iran war der Tod der iranischen Kurdin Mahsa Amini. Sie starb am 16. September im Polizeigewahrsam, nachdem sie von der Sittenpolizei wegen Verstoßes gegen die islamischen Kleidungsvorschriften festgenommen worden war.

Während inzwischen nach Angaben von Menschenrechtlern mehr als 475 Demonstranten getötet wurden, geht auch die Justiz mit hartem Kurs gegen Protestteilnehmer vor. Immer wieder werden sie von der Staatsführung als Terroristen oder Krawallmacher bezeichnet (APA, 12.12.2022)