Nilbar Güres "Applaus"

Foto: Nilbar Güres / Galerie Martin Janda, Vienna

"Rekontextualisierung". So könnte er lauten, der Titel der Ausstellung. Hipper allerdings klingt: "mixed up with others before we even begin". Unter diesem Motto beauftragte Kurator Franz Thalmair fünf internationale Künstlerinnen und ein Kollektiv damit, zwei Mumok-Stockwerke mit Werken aus der hauseigenen Sammlung zu befüllen und sie dabei zu rekontextualisieren – oder, schöner gesagt, zu remixen.

Eine der Künstlerinnen ist die in Uganda aufgewachsene Leilah Babirye. Sie platzierte Werke von Joan Miro, Alberto Giacometti, Dieter Roth oder Picasso (alle Mumok) zwischen ihre eigenen Kopfskulpturen mit Haar- und Ohrenschmuck aus Recyclingmaterial. Wer hastig durch die Anordnung geht, glaubt afrikanische Stammeskunst zu sehen – ein Irrtum, der den eigenen, exotisierenden Blick enttarnt.

Leilah Babiryes Kopfskulptur.
Foto: Mark Blower

Remixen, mischen und verwechseln

Schließlich bedeutet das "mixed up" im Ausstellungstitel nicht nur mischen, sondern "verwechseln": So auch im vierten Stock. Liegt da ein Ei im Vogelnest? Nein. Zwei Würfel hat der aus Peru stammende Künstler Nicolás Lamas in diese Leihgabe des NHM gelegt. In einem Werkzeugkasten daneben sind zwischen Steckschlüsseln Knochen einsortiert. Darüber: prähistorische Faustkeile, nicht weit von einem zertrümmerten iPad. Die sogenannte moderne Zivilisation ist von der prähistorischen nur einen Wimpernschlag entfernt.

Und auf den "Ruinen" der Vorgängerausstellung baut auch die Ausstellungsarchitektur selbst: Anetta Mona Chişa und Lucia Tkáèová schliffen deren Trennwände an, um das Pressspan-Innenleben bloßzulegen. Glatt und schön war gestern. Entsprechend forsch hat die aus der Türkei stammende Künstlerin Nilbar Güreş mit neonfarbenem Edding auf Wand und Fensterbrett gekritzelt: "Social media spot: Fotografiere dich und werde zum Trans-Baum." Einige schießen Selfies vor Güreş’ Baum der Erkenntnis, der die heteronormative Weltsicht hinterfragen soll.

Opas Kulturverständnis ist tot. Was folgt?

Das Ausstellungspublikum ist auffallend jung: Es dominieren Hüfttasche, Undercut und natürlich das Handy, mit dem man QR-Codes auslesen kann. Das Cover der poststrukturalistischen Studie S/Z von Roland Barthes – eine Bibel der Boomer-Kulturtheorie – hängt dagegen bemalt an der Wand, weitere Bände wurden von einem Kebab-Spieß durchbohrt (Kollektiv Slavs and Tatars). Bücher aus Papier haben ebenso ausgedient wie die vom Naturhistorischen Museum gegenüber geborgten Tierpräparate in Formaldehyd und Skelette hinter Glas. Opas Kulturverständnis ist tot. Was folgt?

Laut Pressetext sind es "Bastarde, Liaisonen, Aggregatoren, Myzele, Rhizome und netzwerkartige Gefüge". Auf der Mumok-Fassade steht für die Ausstellungsdauer das rätselhafte Anagramm: "let fungi guru wisdom meet minds – turn us new". Wer Subtext und Metaebene mehr liebt als den festen Boden des Konkreten, wird diese Ausstellung lieben. Allen anderen ist sie möglicherweise zu verkopft. (Maya McKechneay, 12.12.2022)