Am 28. Oktober gedachte Italien des 100. Jahrestages der Machtergreifung durch die Faschisten unter Führung von Benito Mussolini. Es war ein ernstes Gedenken über einen Tag, der dem Land fast 25 Jahre Diktatur bescherte. Viele Historiker, auch in Italien, vertreten aber die Ansicht, dass ohne den Eintritt in den Zweiten Weltkrieg an der Seite des deutschen Reiches das Regime noch längere Zeit existiert hätte, siehe Franco in Spanien, der bis zu seinem Tod im Jahr 1975 an der Macht blieb. Hitler übernahm Ideen des Faschismus wie den Gruß, Lizenz Julius Caesar, aber sein Rassismus und Antisemitismus waren der entscheidende Unterschied. Italiens neuer Regierung wird faschistische Neigung nachgesagt, speziell der Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, angeblich im Geiste der faschistischen Jugendbewegung Opera Nazionale Balilla sozialisiert.

Ende der Geschichtsstunde, unser Thema heißt nämlich Mobilität in Italien rund um den "Marsch auf Rom". Der "Marsch" selbst war eigentlich ein Fiasko, Fußmarode scheiterten schon vor Florenz, die Schlauen organisierten Lastwagen, die in großer Zahl seit dem Krieg verfügbar waren. Oder sie kauften einfach ein Bahnkarten Rom retour, Benito Mussolini benötigt nur ein One-Way-Ticket.

Nach dem "Marsch": Mussolini verlässt den Quirinals-Palast, nachdem König Vittorio Emanuele III. ihn mit der Regierungsbildung beauftragt hat. Das Auto: des Königs Fiat Tipo 4 von vor 1918.
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Die Veteranen der Elitetruppe Bersaglieri wussten sich zu helfen: Die Leichtfahrräder der Marke Bianchi, speziell für diese Truppe entwickelt, führten sie nach Rom, als "Giro d’Italia des kleinen Mannes", wie es damals hieß. Bianchi, 1885 gegründet, war rund um 1922 mit über 60.000 Fahrrädern Jahresproduktion eine wirtschaftliche Macht. Im Lieferprogramm standen auch Motorräder, 1920 wurde der Pkw Tipo 12 (basierend auf dem abgespeckten Einheitsfahrgestell der Militärversion) mit 1,6-Liter-4-Zylinder (26 PS) als Limousine, Roadster und Tourenwagen zum preisgünstigen Erfolg.

Duce tucketuck: Der Status als Siegermacht des Ersten Weltkrieges, als Fundament eine exzellente Automobilindustrie, der neue Ministerpräsident Mussolini als deklarierter Autofan, dazu die Motorbegeisterung der Italiener, das alles bescherte dem Land rund um 1922 Fortschritt und Mobilität.

Fiat 12-15HP Zero (1912–1915).
Foto: Fiat

Der Primus hieß seit Jahren Fiat (Fabbrica Italiana Automobili Torino), 1899 gegründet, ab 1905 treibender Kraft in Turin. Damals bauten in dieser Stadt 20 Firmen Autos, 15 in Mailand. Ab dem Krieg gab es praktisch nur Fiat mit über 40.000 Beschäftigten. Credo: Preisgünstige Autos bauen. Der Zero, vorgestellt knapp vor Kriegsausbruch, erfüllte dieses Versprechen, gebaut nach Henry Fords Fließbandtechnik, die Fiat-Boss Giovanni Agnelli in Detroit studierte. Der Motor mit 1847 cm³ leistete 19 PS, die Spitze lag bei 70 km/h, der Verbrauch bei rund zwölf Liter auf 100 km.


Faire Preise

Fiat 501 Saloon (1919– 1926).
Foto: Fiat

Das große Lkw-Geschäft für die Armee in den Kriegsjahren 1915 bis 1918 spülte Unsummen in die Firmenkasse, trotzdem blieb das Thema, faire Angebote zu machen, weiterhin die Maxime. Am Beispiel des Typs 501 (1,5-Liter-4-Zylinder, 23 PS) wurde dies bewiesen – bis 1926 liefen 45.000 Einheiten vom Band.

Fiat 510 (1919–1925).
Foto: Fiat

Ohne Prestige kein Ruhm, der Fiat 510 von 1923 mit 3,5-Liter-6-Zylinder, 53 PS und 96 km/h Spitze wurde zum Liebling der Wohlhabenden. In diesem Jahr führte Senator Agnelli den italienischen König Victor Emmanuel III. im offenen 510 durch das Werk Lingotto in Turin. Jenen König, der sich 1922 als Schwächling gegenüber den Faschisten erwies, aber auch 1943 beim Versuch, den Krieg zu beenden. Ein klassischer Fiat-Flop: der Typ 520 als einziger und letzter 12-Zylinder, fünf gebaute Einheiten landeten in USA. Der Renner um 1920 hieß T 5 Taxi, die technische Basis lieferte das preisgünstige Vorkriegsmodell Zero.

Alfa Romeo RL Targa Florio (1922–1927).
Foto: Wikipedia
Alfa Romeo RL (1922–1927).
Foto: Wikipedia

In Mailand existierte seit 1910 der Konkurrent A.L.F.A (Società Anonima Lombarda Fabbrica Automobili). Der erste Hochleistungsmotor mit zwei oben liegenden Nockenwellen, vier Ventilen pro Zylinder, dachförmigen Brennräumen und Doppelzündung entstand in diesem Werk. Alfa geriet 1915 in Liquidation, der Waffenfabrikant Nicolo Romeo erwies sich damals als Retter. Elf Jahre später erklärte sich Alfa Romeo neuerlich als zahlungsunfähig, auf Befehl Mussolinis übernahm die Banca d’Italia die Firma, es folgten Jahrzehnte staatlicher Misswirtschaft. Enzo Ferrari zeichnete ab 1920 jahrelang für den Sportbereich verantwortlich, selbst auch aktiv, etwa bei der Targa Florio. Der sportliche Auftritt blieb bis heute das Alfa Romeo Markenzeichen, gefeiert von den treuen Alfisti.


Diktatoren und das Automobil: Der Lancia Astura, 1939 in Mussolinis Auftrag entworfen, wurde 2005 versteigert. Das Foto stammt von einer Schau in Kent.
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Lancia Lambda (1922–1925).
Foto: Lancia

Lancia hieß 1906 in Turin eine Gründung von Vincenzo Lancia, übersetzt: "Lanze." Das fand auch im Logo seinen Niederschlag. Hochwertige Modelle in geringen Stückzahlen zu produzieren, keine Massenproduktion, exklusives Design, Verbindung zu ausgesuchten Karosseriefirmen, so stand es im Konzept des Gründers – heute würde man "Premium" sagen. Das schloss jedoch keineswegs technische Innovationen, wie selbsttragende Karosse, elektrische Anlasser, beleuchtete Armaturen, später auch Einzelradaufhängung und hydraulische Stoßdämpfer aus. Der berühmte Lancia Lambda aus 1922/24 wurde zum Meisterstück und gilt bis heute als geschätztes Oldtimerprachtstück. Geld allerdings verdiente man mit Nutzfahrzeugen und Bussen.

Isotta Fraschini 8 (1924–1931).
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Zwei Firmennamen rund um die Zeit des "Marsches" sollen nicht verschwiegen werden. Isotta Fraschini aus Mailand, bereits 1898 entstanden, präsentierte bis 1914 rund 50 verschiedene Automodelle. Der Durchbruch in die Oberklasse bedeutete 1919 die Vorstellung des Tipo 8: elegante Karosse, 8-Zylinder-Reihenmotor, 5,9 l Hubraum, 95 km/h Spitze, erhältlich als Limousine und Tourenwagen (das Spielfeld für prominente Karosseriefirmen).

Des Schülers Kletterpartie

Und schließlich noch OM (Officine Meccanichi), im Gründungsprotokoll von Mailand steht das Jahr 1899. Lange Zeit der führende Hersteller von Lokomotiven, brachte OM 1921 einen Kleinwagen 12/15 HP mit 15-PS-4-Zylinder und 75 km/h Spitze erfolgreich auf den Markt. Doch das Metier blieben weiterhin Schienenfahrzeuge und schwere Lkw, später unter Fiat-Dach. Mein einziger persönlicher Kontakt zu dieser Marke geschah 1945 in Seewalchen am Attersee. Ein Bauer(!) besaß einen ehemaligen italienischen Militärlastwagen OM, Rechtslenker, als Schüler durfte ich manchmal mitfahren, der Aufstieg ins hohe Fahrerhaus glich eher einer Kletterpartie. Was 1922 noch geschah?

Rapallo. Und die Entdeckung von Tutanchamuns Grab. (Peter Urbanek, 19.12.2022)