Musk sorgt für weitere Aufregung.

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Anfangs hatte sich der frühere Sicherheitschef Yoel Roth nach der Twitter-Übernahme hinter Elon Musk gestellt. Selbst die Entlassung von rund 3.700 seiner Kolleginnen und Kollegen verteidigte er öffentlich. Diese hätte keine Folgen für die Inhaltsmoderation. In der Zwischenzeit hat auch er die Reißleine gezogen. Gemeinsam mit anderen hochrangigen Managern hat er das Unternehmen Mitte November verlassen.

Nach seinem Abgang dauerte es nicht lange, bis er ins Visier von Elon Musk geriet. Immer wieder fällt sein Name in den "Twitter Files", mit denen Musk die Parteilichkeit der Inhaltsmoderation beweisen will. Roth war unter anderem an der Sperre von Donald Trump beteiligt.

Auf die Spitze trieb es Musk vergangenes Wochenende. Auf Twitter unterstellte er dem offen homosexuellen Roth, sich aktiv dafür einzusetzen, Kinder in Gefahr des sexuellen Missbrauchs zu bringen. Eine haltlose Behauptung, die bei seinen Fans sofort auf Anklang stieß – und eine Welle homophoben Hasses und Morddrohungen gegen Roth lostrat. Gleichzeitig wurde die rechtsradikale Verschwörungserzählung multipliziert, dass schwule Menschen "Groomer" seien, dass sie also Minderjährige systematisch zu sexuellen Handlungen drängten.

Von zu Hause vertrieben

Die Drohungen nahmen ein solches Ausmaß an, dass Roth mitsamt Familie von zu Hause fliehen musste, berichtet die "Washington Post". Aber nicht nur das: Der Online-Mob habe in der Folge sogar Menschen attackiert, auf deren Postings der frühere Twitter-Manager reagierte. Ins Visier sei auch ein Professor der University of Pennsylvania geraten, der Roths Dissertation betreute. Musk postete einen Screenshot von ebendieser und schrieb: "Es sieht so aus, als würde Yoel in seiner Doktorarbeit dafür plädieren, Kindern den Zugang zu Internetdiensten für Erwachsene zu ermöglichen."

In Wirklichkeit geht es in der gezeigten Textpassage um die Tatsache, dass die LGBTQ-Dating-App Grindr bereits von Minderjährigen genutzt werde. Roth postuliert, dass die Plattform handeln müsse, damit sie auch ein sicherer Ort für ebendiese sein kann – um dann aufzuwerfen, dass Grindr möglicherweise zu "unzüchtig" sei, um solch ein Vorhaben realisieren zu können.

Verbreitung von Fake News

Es ist nicht das erste Mal, dass Musk die Verbreitung rechter, homophober Verschwörungsmythen anstachelt. Jüngstes Beispiel ist der Angriff auf Paul Pelosi, also den Ehemann der US-Demokratin Nancy Pelosi. Musk suggerierte, dass Pelosi in Wirklichkeit betrunken und in einen Streit mit einem männlichen Prostituierten verwickelt gewesen sei – und nicht von einem trans- und frauenfeindlichen Rechtsextremen attackiert wurde, wie die Behörden sagen. Als Quelle für die Falschbehauptung zog er damals den für Fake News bekannten "Santa Monica Observer" heran. Sein Posting hat er zwischenzeitlich gelöscht.

Am Sonntag legte Musk mit Angriffen gegen den Chefvirologen der US-Regierung nach. Auf Twitter schrieb er "meine Pronomen sind Fauci/anklagen". Wie der "Tagesspiegel" berichtet, postete er zuvor schon eine Fotomontage, in der Fauci und Joe Biden als "Herr der Ringe"-Charaktere abgebildet werden. "Nur noch einen Lockdown, mein König", flüstert Fauci hier dem als König dargestellten US-Präsidenten ins Ohr. Tags darauf postete er den kryptischen Schriftzug "Follow the White Rabbit" – was unter anderem als Slogan der rechtsextremen QAnon-Bewegung gilt.

Neonazi zurückgeholt

Seit seiner Übernahme der Twitter-Geschäftsführung hat Musk eine Generalamnestie für alle gesperrten Konten angekündigt, die keine Gesetze gebrochen oder Spam verbreitet haben. So wurde die Sperre von Donald Trump und Kanye West aufgehoben, wobei Letzterer inzwischen wieder von der Plattform verbannt wurde. Anfang Dezember holte Twitter mit Andrew Anglin außerdem den Gründer der Neonazi-Seite "The Daily Stormer" zurück ins Rampenlicht. Wegen antisemitischer Hetze wurde dieser 2013 von der Plattform verbannt.

Nicht zuletzt löste Twitter am Montag das Trust and Safety Council auf. Wie NBC berichtet, brachte sich dieses bisher mit externer Expertise zum Thema Online-Sicherheit ein. In einer E-Mail an die Mitglieder hieß es nur: "Da Twitter in eine neue Phase eintritt, bewerten wir neu, wie wir am besten externe Erkenntnisse in unsere Produkt- und Richtlinienentwicklung einbringen können." Im Rahmen dessen habe man beschlossen, dass der genannte Rat nicht die beste Struktur dafür sei.

Aufgelöst

Das Trust and Safety Council bestand aus einer Vielzahl von Expertinnen und Experten von NGOs, die sich mit Menschenrechten und Themen wie Belästigung, der sexuellen Ausbeutung von Kindern, mit Suizidprävention und psychischer Gesundheit auseinandersetzen. Allesamt Probleme also, deren intensivere Bekämpfung Musk ankündigte. (mick, 13.12.2022)