Mira Lu Kovacs und Clemens Wenger legen mit "Sad Songs To Cry To" ihre Diplomarbeit in Sachen "Lieder, die zum Weinen schön sind" vor.

Mani Froh

Wenn es um traurige Lieder und ihre enorm heilsame Bedeutung für die Menschheit geht, kann man zum Beispiel wieder einmal bei Elton John vorbeischauen. Der 1984 veröffentlichte Song Sad Songs (Say So Much) handelt davon, dass geteiltes Leid beim Hören eines Tränendrüsendrückers im Radio eine Halbwertszeit von im konkreten Fall ein wenig über vier Minuten besitzt: "When all hope is gone / Sad songs say so much."

Aktuell hat sich mit Mira Lu Kovacs und Clemens Wenger für das Album Sad Songs To Cry To ein heimisches Duo zusammengefunden, das aufgrund der guten Buchungslage seiner Mitglieder fürs wohlige Traurigsein jede Menge Zeit zur Verfügung haben dürfte. Während der stundenlangen Anreise zu Konzerten kann man Gelbes Auto spielen, Bücher lesen oder schreiben, dösen, Tankstellen leertrinken, aber auch Musik hören und ausgiebig den Mond anheulen. Zwei Stunden Konzert, 22 Stunden Warten und dem Schicksal probesitzen. Das ist das Gesetz des fahrenden Volks.

Mira Lu Kovacs

Clemens Wenger ist sonst als Jazzmusiker und Komponist aktiv. Dass sich das Leiden an sich und der Welt sehr schön singen lässt, kennt er von seiner Hauptbeschäftigung als Akkordeonist und Pianist bei der "Wiener Soul"-Band 5/8erl in Ehr’n. Mira Lu Kovacs fungiert dank ihrer stilistisch belastbaren, einmal fragilen, einmal kräftigen Stimme mit Ensembles wie Schmieds Puls, 5K HD, My Ugly Clementine und zuletzt solo mit dem intimen Songwriter-Album What Else Can Break zwischen Jazz, Folk und Indie-Rock als musikalische Allzweckwaffe.

"Who can say where the road goes, where the day flows – only time": Nach ihrer Coverversion Only Time von Enya, die während der Lockdowns 2021 zum trostspendenden Hit auf FM4 wurde, hat sich Kovacs in die Materie der ans Gemüt gehenden Lieder also weiter vertieft.

Mira Lu Kovacs

Schon länger geplant, aber schließlich schnell und ohne besonderen technischen Firlefanz und Strategiebesprechungen im Proberaum eingespielt, füllen nun mit der Ausnahme von zwei eigenen Kompositionen, die Vertonung von Fernando Pessoas That’s What Happiness Is und Fort Von Hier, ausschließlich Coverversionen das Album Sad Songs To Cry To. Wenn es darum geht, das Konzept dieser Duoarbeit zu beschreiben, muss man als geneigtes Publikum davon ausgehen, dass das Weinen im Nachhinein gesehen sehr helfen kann.

Man könnte sich in diese Balladen fremder Leute, die mit gedämpftem Wurlitzer-Piano und einer Stimme vorgetragen werden, die dezent Krokodilstränen vergießt, geradezu hineinlegen. Wer mit dem Leiden durch ist, der kriegt den Trost. Erst kommen Treffer und Versenkt, dann rückt die Bergungsmannschaft aus.

Bridge Over Troubled Water von Simon & Garfunkel hilft durch dunkle, einsame Zeiten ebenso wie Kalt und Kälter von STS in einer erstaunlich sensiblen, hochdeutsch gemurmelten und nicht steirisch gebellten Version. Joni Mitchell ist schwer zu singen, A Case Of You wird mit Bravour gemeistert.

Bitte nicht in Hotelbars für Außendienstler abspielen

Halt Dich An Deiner Liebe Fest von Rio Reiser und Ton Steine Scherben steht neben Wenn Ich Mir Was Wünschen Dürfte von Marlene Dietrich und I’m Old Fashioned von Fred Astaire. Solitude von Billie Holiday und Duke Ellington sowie This Woman’s Work von Kate Bush machen den Sack zu.

Achtung, das Album sollte ausschließlich mit Trigger-Warnung in die Welt hinausgehen. Traurige Lieder helfen oft, aber nicht immer! Die Sad Songs To Cry To dürfen deswegen keinesfalls spätabends in Hotelbars für einsame Außendienstler mit Zimmern in höheren Stockwerken abgespielt werden. Da steigt dir jede Versicherung aus. (Christian Schachinger, 14.12.2022)