Ein Arbeiter in der chinesischen Provinz Zhangjiakou schneidet nahe einem Kohlekraftwerk ein altes Stahlrohr.

Foto: Greg Baker / AFP

Geht es um den CO2-Preis, den die Industrie für ihre Emissionen zahlen muss, kontert sie oft mit einer Warnung: Wird die Produktion in Europa zu teuer, büßen Unternehmen Wettbewerbsfähigkeit ein – und wandern dorthin ab, wo sie billiger herstellen können und keine Kosten für klimaverträglichere Technologien schultern müssen. Seit Jahren streitet die EU-Politik darüber, mit welchen Kniffen eben das verhindert werden soll – und die globalen Klimaziele doch noch erreicht werden können.

Für entsprechend viel Aufsehen sorgt ein Durchbruch, den die Verhandlungsteams des EU-Parlaments und der Mitgliedsstaaten in den frühen Dienstagmorgenstunden bekanntgaben. Um fünf Uhr einigten sie sich auf den Rahmen für den sogenannten CO2-Grenzausgleich, auf Englisch Carbon Border Adjustment Mechanism, kurz CBAM. Er bring eine Art CO2-Zoll für Waren, die aus Drittstaaten importiert werden, in denen sie keine Abgaben für ihre Emissionen leisten müssen.

Erweiterung auf alle Sektoren im Emissionshandel ab 2030

"Das ist vielleicht der einzige Weg für uns, Produzenten außerhalb Europas einen Anreiz zu geben, ebenfalls zu dekarbonisieren", so der niederländische EU-Abgeordnete Mohammed Chamin, der das Gesetz federführend für das Europaparlament verhandelt.

Noch auf der Klimakonferenz in Madrid im Jahr 2019 habe er sich stets anhören müssen, die Idee des Grenzausgleichs sei nur ein Druckmittel der EU, das sowieso nie umgesetzt werden würde. "Jetzt zeigen wir klar, dass wir alle Produzenten willkommen heißen, aber eben nicht bedingungslos. Alle verschmutzenden Hersteller müssen zahlen", erklärte er bei einer Pressekonferenz im Anschluss an die Einigung.

Zunächst wird der Mechanismus für Zement, Stahl, Aluminium, eine Reihe von weiteren Metallen, Düngemittel, Strom sowie Wasserstoff gelten. Ab 2030 könnten dann auch alle weiteren Sektoren einbezogen werden, die heute im EU-Emissionshandel erfasst sind – das gilt vor allem für alle weiteren großen Energie- und Industrieanlagen.

Langer Weg bis zum wirksamen Instrument

Der Beschluss sei ein "Gamechanger", kommentiert Gabriel Felbermayr, Direktor des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo). Neu sei die Idee nicht: Sie funktioniere ähnlich wie das Umsatzsteuersystem. "Dort merken wir sofort, dass Exportgüter von der Mehrwertsteuer befreit werden müssen", so Felbermayr. Gerade das aber leiste der geplante Grenzausgleich nicht.

Bis zum wirksamen Instrument ist es ein langer Weg: Die Einigung am Dienstag lässt viele Fragen offen. Etwa ist noch nicht geregelt, wie europäische Unternehmen beim Export unterstützt werden sollen. Eine Antwort sollen die Verhandlungen zum Emissionshandel liefern, für die sich die Verhandlerinnen und Verhandler am Wochenende in Brüssel treffen.

Dort wird es neben der Exportfrage auch um den Zeitplan für die Einführung des neuen Grenzausgleichs gehen. Denn bislang steht nur fest, dass mit Oktober 2023 eine Testphase für den Grenzausgleich starten soll. Zunächst werden dann bloß Daten gesammelt, auf deren Grundlage der CO2-Zoll berechnet werden soll.

Emissionen global senken

"Es braucht eine einheitliche Bemessungsgrundlage, sonst kann der Mechanismus in eine handelspolitische Katastrophe führen", erklärt Felbermayr. Alle Unternehmen müssten dieselben Bedingungen bekommen. Das sei gar nicht so einfach: Selbst bei technisch einfacheren Produkten wie Stahl gebe es viele Fragen, wie die Emissionen gezählt werden, etwa wenn ein Hersteller einen Energiemix einsetzt. Bei Gütern wie Smartphones mit vielen Teilen wäre es noch viel schwieriger.

An all dem hängt vor allem eine Hoffnung: Möglichst viele Länder sollen von ihren Industrien ebenfalls Emissionsminderungen verlangen. Ähnlich dem Modell des "Klimaclubs", auf das sich die G7-Staaten diese Woche verständigten, zielt der Grenzausgleich darauf ab, dass andere Staaten auch CO2-Preise einführen, um Zölle für ihre Exporte nach Europa zu vermeiden. "Erst damit wird der Mechanismus zum Klimaschutzinstrument", sagt Felbermayr. (Alicia Prager, 14.12.2022)