Auf den ersten Blick erscheint der Einsatz österreichischer Polizei in Ungarn fast nachvollziehbar. Hierzulande haben heuer bereits an die 100.000 Menschen einen Asylantrag gestellt – warum also Flüchtlinge nicht schon in Ungarn ausfindig machen? Und wer kann dagegen sein, Schlepper, die Menschen unter teils lebensgefährlichen Bedingungen durch Europa schmuggeln, möglichst rasch zu fassen?

Die österreichische Polizei soll an der österreichisch-ungarischen Grenze Flüchtlinge aufgreifen.
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Doch diese Argumentation stimmt nicht, sie verharrt rein auf der Oberfläche. Sie gibt den flüchtlingspolitischen Spin wieder, mit dem sich das ÖVP-regierte Innenministerium und die ÖVP insgesamt umgeben: eine Sichtweise, die im Bild eines Österreichs kulminiert, das von Flüchtlingen über Gebühr beansprucht wird, das sich aus Selbstschutz mit seinen Nachbarn absprechen muss, um die Lage zu meistern.

Die Wahrheit ist komplizierter – und sie ist unangenehm. Wie das Nein Österreichs zum Schengen-Beitritt Bulgariens und Rumäniens rüttelt auch sie am Image Österreichs als eines Staates, für den der Zusammenhalt in der EU Priorität hat. Vielmehr unterstützt Österreich durch die "Operation Fox" mit Ungarn ein Land, dessen von Viktor Orbán geführte Regierung sich wie keine zweite in der EU basalem Asylrecht verweigert. Die Flüchtlingen keine Chance gibt, Schutz zu beantragen – und sie zu Tausenden ungeniert über die EU-Außengrenze nach Serbien zurückschiebt. Das ist kein Selbstschutz, keine Notwehr, sondern ein Mitmachen wider besseres Wissen. (Irene Brickner, 13.12.2022)