Der in Österreich lebende britische Journalist Liam Hoare schreibt in seinem Gastkommentar darüber, welche Probleme Zuwandernde in Wien erwarten und wie man ihnen helfen könnte.

Österreich mag das zweitunfreundlichste Land weltweit sein, aber wenn es um den Grant geht, sind die Wienerinnen und Wiener unschlagbar. Im neuen, von der Expat-Netzwerkplattform Internations durchgeführten "Expat City Ranking" wurde Wien für die "Eingewöhnungsleichtigkeit" sowie die "Freundlichkeit" der Einheimischen an die letzte Stelle gesetzt. "Ich kann die Verdrießlichkeit und die Unfreundlichkeit nicht leiden", sagte ein Befragter aus Schweden.

Bonjour tristesse: Die MA 35 steht schon länger in der Kritik. Beschwerden von Einwandernden gibt es zuhauf.
Foto: Regine Hendrich

Die ausländischen Wahlwienerinnen und Wahlwiener schätzen die Lebensqualität in der Hauptstadt: die Öffis, das Gesundheitssystem und die Stadtgärten. Sie fühlen sich am Arbeitsplatz sicher und genießen eine gute Work-Life-Balance. "Die Vielfalt der Stadt und die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln gefallen mir", antwortete ein Amerikaner. Doch fehlt das "Daheimgefühl" – und nicht nur wegen der Wienerinnen und Wiener, deren Eigenheiten und Besonderheiten halt so sind, wie sie sind. Die Expats halten die Wirtschaftskultur für unkreativ, verstehen den Bargeldfetischismus nicht und finden das Visum- und Aufenthaltstitelantragsverfahren unnötig kompliziert.

"Alle Einwandererinnen und Einwanderer in Wien haben ihre eigene kafkaeske MA-35-Gruselgeschichte."

Als ich im Jahr 2017 aus Großbritannien in Wien ankam, war einer meiner ersten Termine auf Empfehlung mit einem Mitarbeiter des Expat-Centers am Schmerlingplatz. Die von der Wirtschaftsagentur Wien gegründete Einrichtung bietet Expats persönliche Beratung zu allen möglichen Themen rund um das Leben in Wien. Der Berater half mir zum Beispiel dabei, mich als neuer Selbstständiger niederzulassen, bevor ich meinen Aufenthaltstitel beantragte. Ohne seinen Rat hätte ich nicht gewusst, wo ich anfangen sollte, und ich verstehe immer noch nicht, warum die Services des Centers unter englischsprachigen Ausländerinnen und Ausländern nicht bekannter sind oder häufiger genutzt werden. Es scheint eine Art Geheimagentur zu sein, und dafür gebe ich der Stadt Wien, den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern und letztlich den Expat-Netzwerken die Schuld.

Nur eine Geistertelefonnummer

Verbesserungen braucht es auch beim Einwanderungs- und Integrationsprozess. Alle Einwandererinnen und Einwanderer in Wien haben ihre eigene kafkaeske MA-35-Gruselgeschichte. Die Magistratsabteilung für Einwanderung und Staatsbürgerschaft ist das Problemkind der Stadt Wien. Seit 2018 in der Verantwortung von Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr, gibt es seit einem Jahr ein neues Servicecenter. Davor hatte die Einwanderungsbehörde eine Geistertelefonnummer; nun kann man einen Callcenteragenten Montag bis Freitag auf Deutsch oder Englisch erreichen. Nach meinen Erfahrungen in den letzten Monaten sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter alle höflich, aufmerksam und sympathisch – aber machtlos. Probleme können sie weiterleiten, aber nicht immer lösen. Eine Ermächtigung des Servicecenters wäre ein wichtiger Schritt, um den Einwanderungsprozess für Expats – und zwar für alle – leichter, transparenter und weniger aufreibend zu gestalten.

In einem Dokumentenordner habe ich noch einen neuwertigen "Wiener Bildungspass EU", den ich von der MA 17 (Integration und Diversität) bekam, nachdem ich meinen ersten Aufenthaltstitel erhalten hatte. Um den Pass abzuholen, musste ich mich in die Dresdner Straße schleppen, auch wenn ich meinen Antrag für den Aufenthaltstitel beim MA-35-Referat auf der anderen Seite der Stadt gestellt hatte. Der Pass beinhaltete drei Gutscheine für Deutschkurse im Gesamtwert von 150 Euro, die nur bei einer begrenzten Anzahl von der Stadt zertifizierter Kursträger eingelöst werden konnten. Meine Voucher blieben unberührt, weil ich Deutsch in einem kleinen, aber feinen Sprachinstitut lernte, das die Gutscheine nicht akzeptierte. Die Verteilung und Einlösung der Deutschkursgutscheine sollte vereinfacht werden. Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sollten ihren nichtösterreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern kostenlosen Deutschunterricht zur Verfügung stellen.

Privilegierte Kaste

Aber nicht alles im "Expat City Ranking" sollte für bare Münze genommen werden. Den zweiten Platz belegt Dubai, eine seelenlose Stadt und eine Spielwiese für eine privilegierte Kaste reicher Expats. Wien soll nicht Dubai nacheifern. Unsere ist eine Stadt für alle – und nicht nur für Expats. Dennoch will Wien eine internationale Stadt sein – mit einem guten Miteinander, wie der Bürgermeister immer sagt –, und daher braucht sie einen modernisierten, ganzheitlichen Ansatz zum Thema Einwanderung und Integration für Expats. Derzeit fühlen sie sich etwas außen vor, obwohl sie sich zu Hause fühlen sollen (Liam Hoare, 15.12.2022)