All Gender sollte in Zukunft auch als Leitlinie für die amtlichen Korrespondenzen in der Kärntner Landesverwaltung gelten.

Foto: Getty Images/iStockphoto

Jetzt wird es richtig heiß im bitterkalten Kärnten. Die SPÖ hat ein Thema für den Vorwahlkampf für die Wahlen im März 2023 auf das Silbertablett gelegt, auf das die Opposition mit freudvoller Empörung zugreift.

SPÖ-Landesrätin Sara Schaar hat einen "Genderleitfaden" für die Amtssprache in der Kärntner Landesregierung vorgestellt, was FPÖ-Politiker und das Team Köfer auf die Tanne bringt. Befeuert wird die politische Entrüstung im Land von entsprechendem medialem Getöse. Die Kärntner Krone schlagzeilt etwa: "Genderwahnsinn: Aus Polizist wird Polizeikraft".

Das Objekt der Erregung: Das Büro Schaar hat ein umfangreiches Wörterbuch zusammenstellen lassen, mit Ratschlägen, wie die Verwaltung künftig bei all ihren Korrespondenzen gendergerecht formulieren sollte. "Hausmeister" soll etwa als "Fachkraft für Gebäudemanagement" bezeichnet werden, die "Chefsache" wird zur "Sache von oberster Priorität", "fachkundig" heißt es statt "fachmännisch".

"Kanzler" heißt nun anders

Ein "fachärztliches Attest" sei anstelle der Bezeichnung "Attest einer Fachärztin oder eines Facharztes" zu verwenden. Aus dem "Gast" wird die "Besuchsperson", die "Muttersprache" wird zur "Erstsprache" und der "Kanzler", die "Kanzlerin" wird künftig zur "Regierung (an-)führenden Person".

Die Kritik war heftig. Letzten Endes, am Donnerstagabend, gaben Kaiser und Schaar ihr nach: Das Wörterbuch werde vorerst zurückgezogen.

Der Leitfaden sei kein zwingender Erlass, sondern nur Hilfestellung, wie mit den gesetzlichen Vorgaben für eine gendergerechte Sprache umgegangen werden könnte, heißt es im Büro Schaar.

"Haben wir in Kärnten aktuell keine anderen Sorgen als geschlechtergerechte Sprache?", schimpft Team-Kärnten-Chef Gerhard Köfer. Dieser "Genderwahn" sei eine "völlige Zerstörung der deutschen Sprache". Ein sprachlicher Schwachsinn sei das und solle in die Mülltonne gekippt werden.

Die FPÖ legt noch eins drauf: "So einen Irrsinn würde es unter einem freiheitlichen Landeshauptmann nicht geben", erregt sich Kärntens FPÖ-Chef, Nationalratsabgeordneter Erwin Angerer. Sara Schaar müsse sich im Landtag für ihre "Gender-Tollheit" rechtfertigen. FPÖ-Klubobmann Gernot Darmann spricht von "linken Eiferern" und "politischem Wahnsinn".

Kaiser gibt Druck nach

Was Kärntens empörte Opposition unerwähnt ließ: Auch das Land Kärnten bekennt sich, wie es andere Bundesländer, die Stadt Wien oder Graz längst per Leitfäden getan haben, zum geschlechtergerechten, diskriminierungsfreien Sprachgebrauch. "Sprache prägt unser Bewusstsein und unsere Vorstellung von Geschlechterrollen. Wir wollen alle Menschen gleichermaßen ansprechen und niemanden ausgrenzen. Deshalb soll zukünftig in der Verwaltung des Landes Kärnten so formuliert werden, dass sich alle Geschlechter angesprochen fühlen", schreiben Landeshauptmann Peter Kaiser und Landesrätin Schaar im Vorwort des Kärntner Leitfadens.

Und Schaar erinnert daran: "Im Jahr 2018 entschied der Verfassungsgerichtshof, dass eine dritte Geschlechtskategorie anerkannt wird."

Letzten Endes aber, am Donnerstagabend, zogen Kaiser und Schaar nach den massiven Protesten das Gender-Wörterbuch wieder zurück. Das Thema der geschlechtergerechten Sprache sei zu wichtig, um darüber polemisch zu diskutieren. "Die Kritik bezieht sich hauptsächlich auf das Wörterbuch, das sich in einigen Passagen als überzogen darstellt", sagte Landeshauptmann Kaiser.

"Nachdem in der öffentlichen, offenbar vom Wahlkampf geprägten Diskussion, nicht unterschieden wird, dass es sich hier rein um ein internes, rechtlich notwendiges Nachschlagewerk handelt, das Bedienstete des Landes vor Rechtsfolgen auf Basis des VfGH-Entscheides schützen soll, wird das durchaus kontrovers zu diskutierende Wörterbuch, das sich an anderen Bundesländern orientiert hat, nun zurückgezogen", begründen Kaiser und Schaar die Zurücknahme des Gender-Wörterbuches. (Walter Müller, 15.12.2022)