1969 begleitete ein BBC -Reporter die "Royal Family" mit einer Kamera. Die Queen "cancelte" den Film: Königliche Zensur in Reinform.

Foto: Filmarchiv Austria

Sisi (Vicky Krieps) stört sich in "Corsage" an der Enge ihrer Welt.

Foto: Robert M Brandstaetter; Metrokino/Filmarchiv Austria

Jüngst haben die Ex-Royals Meghan Markle und Prinz Harry erneut bewiesen, wie grandios man zu Hofe scheitern kann. Sie hätte, so bemerkt Markle in ihrer Doku-Serie Harry & Meghan, einfach eine Königin gebraucht, die ihr wie Julie Andrews im Film Plötzlich Prinzessin singend das Hofzeremoniell beigebracht hätte – dann wäre vielleicht alles anders gekommen.

Doch nicht alle Prinzessinnenfilme sind eine gute Lehrstube für höfisches Benehmen. Im Kino haben im Gegenteil Ausbruchsfantasien, Affären und Intrigen die royale Sippe fest im Griff. Die Filmarchiv-Austria-Schau "Cinema Royal" widmet sich nun dem Hochadel in der Filmgeschichte.

Sisi und Diana

Das Programm ist ein kurioses Potpourri, ähnlich wie die Sammlung der kaiserlichen Schatzkammer. Manches glänzt noch ganz frisch, wie Corsage von Marie Kreutzer, der zweimal gezeigt wird: einmal in Anwesenheit der Regisseurin und einmal als "Trouble Feature" mit Überraschungsfilm, der die Freiheitssehnsüchte Sisis filmgeschichtlich kontrastiert. Der letztjährige Weihnachtsfilm Spencer von Pablo Larraín setzt dagegen auf formale Enge und zeigt Kristen Stewart als mit Essstörungen kämpfende Diana, für die das Weihnachtsfest der Windsors zum Horrortrip wird.

Robert Hofmann

Die Briten dominieren

Das britische Königshaus dominiert denn auch die Schau. The Queen mit Helen Mirren trifft auf die Dokumentation Royal Family, worin ein BBC-Reporter 1969 die echte Queen bei ihren täglichen Geschäften begleiten durfte. Das Resultat missfiel ihr, sie griff zum Zensurschwert und der Film wurde ab 1977 nicht mehr in Großbritannien ausgestrahlt.

Auf andere Art unbequem für England sind die vier Erbnachfolgedramen aus dem schottischen Königshaus: Macbeth in den Versionen von Roman Polanski (1971) und Orson Welles (1946), und Mary, Queen of Scots: zweimal stark besetzt, einmal mit Vanessa Redgrave und Glenda Jackson (1971), einmal mit Saoirse Ronan und Margot Robbie (2018).

Unsere Royals

Auch unsere Royals dürfen nicht fehlen: Aus der Sammlung des Filmarchivs werden frühe Filmaufnahmen der Habsburger mithilfe eines Handkurbelprojektors projiziert: eine sehenswerte Rarität. Lila Schwarzenberg gibt in Anwesenheit ihres Vaters in Mein Vater, der Fürst Einblick ins Leben desselben, und Hans-Jürgen Syberberg hat mit Th. Hierneis oder: Wie man ehem. Hofkoch wird (1972) eine Mocumentary über den Bayerischen Hof vorgelegt. Apropos Bayern: Die Marischka-Sissi-Trilogie ist natürlich ein Fixstarter der Schau.

Ausbrüche und Einbrüche

Wienerisch beschwingt geht es in den Operettenfilmen der beginnenden Tonfilmära zu, und dann sind da noch Prinzessinnenfilme mit queer-feministischem Anklang, etwa Yorgos Lanthimos’ The Favourite, der Olivia Colman 2019 einen Oscar einbrachte, oder Sally Potters Virginia-Woolf-Adaption Orlando (1992), worin die junge Tilda Swinton als genderfluide Adelige durch Raum und Zeit reist. Wieder so ein Ausbruch aus einem Zwangskorsett.

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Hinein in den Hofstaat treibt es einzig das Aschenputtel im tschechischen Weihnachtsklassiker Drei Haselnüsse für Aschenbrödel (1974), denn Prinzessin sein ist dann doch besser, als die Böden der garstigen Schwiegermutter zu schrubben. (Valerie Dirk, 19.12.2022)