"Herr Thür, ich verbitte mir eine unzulässige Zuspitzung!" – Karoline Edtstadler Freitagabend in der "ZiB 2".

Foto: Screenshot ZIB 2

Es gibt Gespräche, die scheinen spiralförmig um ein Thema zu kreisen und doch nie zum Punkt zu kommen. Zum Beispiel in der "ZiB 2", wenn Martin Thür den Sinn von Grenzzäunen hinterfragt, und Verfassungs- und Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) diesen Sinn nicht hinterfragt wissen will. Wie Freitagabend.

Da kann der Anchor einwerfen (und im Hintergrund auch gleich auf der Vidiwall zeigen), dass Ungarn schon unter Strom gesetzte Grenzzäune hat. Und doch kämen 98 Prozent der Asyl suchenden Menschen laut Innenministerium über Ungarn ins Land. Da kann Thür erklären, dass die Forschung darauf hindeute, dass Grenzzäune Menschen eher zu Schleppern treibe, weil diese Zäune alleine kaum zu überwinden wären.

Martin Thür zeigt den ungarischen Grenzzaun.
Foto: Screenshot ORF TVthek

"Herr Thür, ich verbitte mir eine unzulässige Zuspitzung!"

Die Ministerin dreht sich in derselben Spirale, aber in der Gegenrichtung: Grenzzäune und physische Barrieren seien eben nur ein Teil der Maßnahmen – auch wenn die ÖVP und eben Edstadler gerade diese Mauern, Zäune und "physischen Barrieren" in die Diskussion geworfen haben. Da gehe es doch auch um Asylverfahren in Drittstaaten, sagt Edtstadler, um rasche Verfahren an den Außengrenzen. In der nächsten Drehung entlang der Grenzzäune mahnt die Ministerin schon: "Herr Thür, ich verbitte mir eine unzulässige Zuspitzung!"

"Hängen Sie sich nicht alleine, bitte, an den Grenzzäunen auf."

In der dritten oder vielleicht auch schon sechsten Umdrehung findet sie, nur an Zwischenbemerkungen merkbar genervt, zu einem erfrischend saloppen wie doch etwas mehrdeutigen Appell an Martin Thür: "Hängen Sie sich nicht alleine, bitte, an den Grenzzäunen auf."

Ein Kreuzungspunkt

Auch auf einem Spiralkurs lässt es sich offenbar zu einem Punkt kommen: Mit ein paar Anläufen einigt man sich dann darauf, dass Österreich von seinem umstrittenen Veto gegen den Schengen-Beitritt von Bulgarien und Rumänien abrücken könne, wenn die EU für ÖVP-konformen Außengrenzschutz dort sorgt und mitzahlt. So klar wird das zwar nicht, als grobe inhaltliche Zusammenfassung mag die Formel aber hinreichen.

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"Sind Sie da schärfer als Viktor Orbán?"

Selbst Hardliner Ungarn hat für den Schengen-Beitritt von Rumänien und Bulgarien gestimmt, hatte Thür schon auf einer der ersten Spiralwindungen betont und, ebenfalls recht salopp, gefragt: "Sind Sie da schärfer als Viktor Orbán?"

Das ist eine weitere Frage, die Edtstadler genau so nicht beantwortet: "Ich führe viele Gespräche. Ich habe diese Woche in Brüssel sowohl am Dienstag als auch am Donnerstag mit Kolleginnen gesprochen. Nicht nur aus Bulgarien und Rumänien, sondern aus vielen anderen Ländern auch. Das muss man schon einmal festhalten: Seit Österreich das hier aufgezeigt hat, ist einiges in Bewegung gekommen. Wir wissen, dass einfach der Außengrenzschutz nicht funktioniert. Wir brauchen den aber, wenn wir ein gemeinsames Europa haben wollen. Denn was ist denn Ausdruck der Souveränität eines Staates? Dass man weiß, wer auf dem Territorium ein- und ausgeht. Und das wissen wir im Moment eben nicht. Und da müssen wir auf die gemeinsamen Außengrenzen auch gemeinsam schauen. Hier fordern wir, glaube ich, sehr zurecht die Solidarität aller ein, auch der europäischen Ebene, für die Länder, die hier am stärksten betroffen sind. Und hier braucht es ein Bündel an Maßnahmen, und darunter sind eben auch solche, über die es sicher nicht schön ist zu reden, aber notwendig ist zu reden."

Das hätte Viktor Orbán schon etwas schärfer formuliert. (Harald Fidler, 17.12.2022)