Es ist einer der wichtigsten Hebel im Kampf gegen die Klimakrise und das Herzstück des "Fit for 55"- Pakets der EU: der Emissionshandel. Im Zuge des Green Deal wird er nun in den kommenden Jahren reformiert. Ein Überblick über die wichtigsten Änderungen.

Frage: Was soll das Emissionshandelssystem (ETS) bewirken?

Antwort: Die EU hat die Menge an CO2, die bestimmte Wirtschaftszweige ausstoßen dürfen, gesetzlich beschränkt. Unternehmen, die Treibhausgase verursachen, müssen sich sogenannte Verschmutzungsrechte (Zertifikate) kaufen und pro Tonne CO2 einen bestimmten Preis zahlen. Nützen sie diese Zertifikate nicht, weil sie klimafreundlich produzieren, können sie sie verkaufen. Klimaschädigendes Verhalten hat also einen Preis.

Frage: Seit wann gibt es dieses System, und welchen Vorteil hat es?

Antwort: Das ETS gibt es seit 2005. Derzeit betrifft es rund 40 Prozent des CO2-Ausstoßes. Der Preis für eine Tonne CO2 entsteht einerseits durch Angebot und Nachfrage am Markt. Die Zahl der Zertifikate ist aber begrenzt und wird laufend reduziert. Auch deshalb steigt der Preis pro Tonne, Verschmutzung wird also teurer.

Frage: Wieso gab es Reformbedarf?

Antwort: Die Reduktionsziele des ETS waren lange wenig anspruchsvoll und bei weitem nicht ausreichend, um die Klimaziele zu erreichen. Einer der Gründe: Um EU-Unternehmen vor der Konkurrenz im Ausland zu schützen, wurden viele Zertifikate kostenlos vergeben. Hierzulande wurde laut dem gewerkschaftsnahen Momentum-Institut im Vorjahr sieben von zehn Zertifikaten "verschenkt". Alles in allem waren in der Vergangenheit mehr Emissionsrechte am Markt, als die Industrie brauchte. Die Preise blieben niedrig, der Anreiz zum Umstieg auf klimafreundlichere Technologien auch.

Heizkosten machen derzeit vielen Sorgen. Geld, das über den Emissionshandel lukriert wird, soll Härten abfedern.
Foto: Imago/Silas Stein

Frage: Was soll sich nun ändern?

Antwort: Das wichtigste Instrument der europäischen Klimaschutzpolitik soll deutlich schlagkräftiger werden. Das soll dadurch erreicht werden, dass Konzerne durchgängiger als bisher Zertifikate kaufen sollen. Denn abgesehen vom Umstand, dass in manchen Sektoren Gratiszertifikate vergeben werden, sind viele Bereiche vom Zertifikatehandel noch nicht erfasst. Die Vergabe von kostenlosen Zertifikaten wird zurückgefahren und soll bis 2034 ganz auslaufen. Zudem sollen künftig neben CO2 auch Methan und Lachgas in das System fallen.

Frage: Welche Ziele wurden sonst noch festgelegt?

Antwort: Ursprünglich hat die EU die Zahl der ausgegebenen Zertifikate – also die Menge des erlaubten CO2-Ausstoßes – jedes Jahr um 2,2 Prozent reduziert. Vorgesehen ist nun, dem System 2024 insgesamt 90 Millionen Zertifikate zu entnehmen, 2026 sollen weitere 27 Millionen folgen. Mit der Verschärfung der Klimaziele sollen die Verschmutzungsrechte um 4,3 Prozent jährlich von 2024 bis 2027 und 4,4 Prozent von 2028 bis 2030 sinken. Bis zum Jahr 2030 dürfen die betroffenen Branchen nur noch 62 Prozent der Menge CO2 ausstoßen, die im Jahr 2005 emittiert wurde.

Frage: Welche Sektoren kommen ab wann dazu?

Antwort: Bisher brauchen Stromerzeuger, Industriebetriebe und Fluggesellschaften diese Zertifikate. Ab 2027 soll das System (ETS2) ausgeweitet werden – auf den Verkehr etwa und auf das Heizen von Gebäuden. Das gilt zumindest für EU-Länder, in denen keine nationalen Regelungen getroffen wurden.

Frage: Gilt das damit auch für Länder wie Österreich?

Antwort: Für heimische Verbraucher ändert sich zunächst einmal wenig. Österreich setzt seit Oktober auf eine eigene CO2-Steuer, die später in den europäischen Mechanismus integriert werden soll. Je Tonne CO2 wird eine Abgabe von 30 Euro eingehoben, was Konsumenten und Konsumentinnen unter anderem an den Heizkosten und an den höheren Spritpreisen spüren.

Frage: Bleibt es bei diesem Preis?

Antwort: Nein, der CO2-Preis soll Jahr für Jahr angehoben werden und bis 2025 schrittweise auf 55 Euro pro Tonne steigen. Eigentlich wäre für Jänner 2023 eine Erhöhung von 30 auf 35 Euro vorgesehen gewesen. Aufgrund der hohen Energiepreise steigt der CO2-Preis nur auf 32,50 Euro je Tonne. Der Klimabonus soll die finanzielle Mehrbelastung ausgleichen. Unternehmen, die dem EU-Zertifikatehandel unterliegen, sind von der nationalen CO2-Bepreisung ausgenommen. Andere energieintensive Produzenten erhalten je nach Betroffenheit einen Teil der CO2-Abgabe zurück.

Rund 10.000 Kraftwerke und Unternehmen müssen in der EU Emissions-Zertifikate erwerben, um Treibhausgase ausstoßen zu können. Letztlich geht es um das Ziel, die Emissionen bis 2030 um 55 Prozent auf der Basis von 1990 zu reduzieren.
Foto: imago/Arnulf Hettrich

Frage: Der Einigung im sogenannten Trilog auf EU-Ebene sind zweijährige Verhandlungen vorausgegangen. Was war so schwierig?

Antwort: Streitpunkte zuletzt waren vor allem, wie schnell die Zahl der Verschmutzungsrechte verringert werden und ab wann die kostenlosen Zertifikate für Unternehmen auslaufen sollen. Zudem fürchten Kritiker, dass mit der Ausweitung des Emissionshandels auf das Heizen von Gebäuden und den Verkehr – sowohl für Unternehmen, als auch für Verbraucher – noch höhere Energiekosten auf Konsumenten und Konsumentinnen zukommen.

Frage: Gibt es einen Ausweg?

Antwort: Ab 2026 soll es einen Klimasozialfonds geben, der für weniger finanzkräftige Haushalten Mehrausgaben, etwa steigende Heizkosten, abfedern soll. Er soll bis 2032 mit 86,7 Milliarden Euro gefüllt (auch um diese Zahl wurde heftig gefeilscht) und durch Einnahmen aus dem Emissionshandel und teilweise durch die Mitgliedsstaaten finanziert werden. Damit sollen auch Investitionen, zum Beispiel in effizientere Gebäude oder öffentliche Verkehrsmittel, gefördert werden.

Frage: Ist das alles nun fixiert?

Antwort: Ja. Die Zustimmung von EU-Parlament und den Mitgliedsstaaten zum Verhandlungsergebnis im Trilog gilt als Formsache. (Regina Bruckner, 19.12.2022)