Julia Bugram, "Alles was du sehen willst … II", 2021.

Foto: Jolly Schwarz

Fertig ist was anderes – das war auch der Plan für "What the Fem*? Feministische Perspektiven 1950 bis heute". Wie könnte es auch anders sein bei einer Ausstellung über das politische und ästhetische Projekt Feminismus. "What the Fem*?" im Stadtmuseum Nordico Linz versucht zu fassen, was seit den 1950er-Jahren passiert ist. Sowohl mit künstlerischen feministischen Positionen und Wissensvermittlung als auch einer chronologischen Aufarbeitung feministischen Aktivismus’ in Linz bis ins Heute.

Coco Wasabi, "Sugar Mami", 2021.
Foto: Coco Wasabi, Sugar Mami, 2021

Letzteres ist eine beeindruckende Erinnerung, wie viel Arbeit und Kreativität Frauen bisher in das politische Projekt Gleichberechtigung gesteckt haben. Wie viel Frustrationstoleranz dafür allerdings notwendig ist, zeigt eine Wandtafel, auf der Besucherinnen dokumentieren, was sie sich bis heute auf der Straße anhören müssen: "Du könntest mei Tochter sein, da steh i drauf" oder "Die 16-Jährigen blasen am besten".

Ein "echter" Safe Space

Under "de/construction", so der Untertitel der Ausstellung, ist somit ebenso Programm wie Vielstimmigkeit: Auf freien Flächen können eigene Statements hinterlassen werden, Aktivistinnen und diverse Initiativen werden demnächst unter dem Titel "Safe Spaces – sichere Arbeitsgruppen" zu Themen wie lesbische Sichtbarkeit oder Black, Queer & Trans Radical Feminism arbeiten. Trans Radical Feminism? What the f* soll das wieder heißen!

Es ist also nicht mehr das Wort "Feminismus", über das "hitzig diskutiert" wird, wie es in einem Text zur Ausstellung heißt. Vielmehr sind es die vielen neuen, oft nur zum Zweck der Skandalisierung verwendeten Begriffe, die heute viele Menschen zornig machen. So wird "Safe Spaces" gern als Anspruch auf ein diskriminierungsfreies Umfeld erklärt – tatsächlich geht es dabei aber genau darum, wie "What the Fem*?" Safe Spaces versteht: einen organisierten Raum, in dem sich Menschen austauschen und politisch arbeiten können – ohne Zwischenrufe, ob man sich diverse Diskriminierungen und gesellschaftliche Hierarchien womöglich nur einbildet.

Gefällt dir, was du siehst?

Die erklärenden Elemente der Ausstellung – von den "Wellen" des Feminismus bis zu "Sex/Gender" – sind politische Bildung im besten Sinne. Klug daher auch die Idee, mit einem Stempelpass die Ausstellung für einen Eintrittspreis fünfmal besuchen zu können, denn zu lesen gibt es viel. Und zu sehen: Die Auswahl der künstlerischen Positionen zeigt neben wenigen etablierten Feministinnen wie Maria Lassnig, Valie Export oder Birgit Jürgenssen zahlreiche weniger bekannte, jedoch umso beeindruckendere Arbeiten.

Violetta Wakolbinger, "Das goldene Matriarchat", 2019.
Foto: Violetta Wakolbinger

Julia Bugrams Bleistiftzeichnung etwa zeigt einen Körper in Seitenlage von hinten, gealtert, schlaff, faltig, weiblich. Dem Urteil der Betrachterinnen steckt die Frau mit ausgestreckter Hand den Mittelfinger entgegen. Die auf einer Art Alufolie angebrachten Gipsvulven bewerkstelligen eine Art intime Interaktivität – und fühlen sich wohl für viele Frauen auch als behaglicher Akt der Solidarität an. Im Rahmen des Begleitprogramms gibt es weiters Gelegenheit für eine Vulven-Verewigung im Gipsabdruck-Workshop mit der Künstlerin Gloria Dimmel.

Conny Habbel zeigt direkt über einem Foto einer Frau in einem Krankenhausbett, die ein Baby im Arm hält, das sie offenbar gerade geboren hat, fast dasselbe Bild. Auch sie umarmt, allerdings kein Baby. Die so erzeugte Fehlstelle wirkt aber nicht als Mangel, sondern als Möglichkeit, die die junge Frau buchstäblich wie sprichwörtlich zärtlich umarmt. Möglichkeit, das hält sich "What the Fem*?" durch das partizipative Konzept auch noch offen – es bleibt also spannend. (Beate Hausbichler, 19.12.2022)