Alexis Lamprou bereut es, trotz der letzten, eher durchwachsenen Jahre, sich nicht schon früher selbstständig gemacht zu haben.

Foto: www.corn.at Heribert CORN

Satte 3700 Euro kostet das unscheinbare Superman-Heft, das in einem Geschäft in Wien-Alsergrund gut gesichert auf einen Käufer wartet. Das Heft aus dem Jahr 1948 wurde zum zehnjährigen Jubiläum des Helden veröffentlicht. Der aktuelle Besitzer des bunten Goldschatzes ist Alexis Lamprou, der sich vor vier Jahren mit einem kleinen Comic-Shop in einer Wiener Seitengasse selbstständig machte. Es war keine einfache Zeit für den Halbgriechen, mit all den Lockdowns und der aktuell auch die Papierpreise nach oben treibenden Inflation. Droht das Aus für den Comicladen nebenan?

3.700 Euro kostet das aktuell teuerste Heft im Mad Titan Comics.
Foto: www.corn.at Heribert CORN

Hobby zum Beruf

"Ich würde alles wieder so machen", antwortet Lamprou auf die Frage, ob er sich heute die Selbstständigkeit mit einem Comicladen in Wien wieder antun würde. Einfach, das gibt der 40-Jährige zu, war es nicht. Als er 2018 den Laden gründet, fehlt ihm ein berufliches Wunschziel. Sein griechischer Vater war in der Tourismusbranche tätig, und auch die Profession der steirischen Mutter ist nichts für ihn. In Wien aufgewachsen, versucht er sich in jungen Jahren als Koch, macht dann aber eine Lehre zum Industriekaufmann. Nach dem Bundesheer baut er für eine kleine Firma Webauftritte.

Selbstständig wollte sich Lamprou eigentlich nie machen. "Eine Anstellung gibt dir eine gewisse Sicherheit, ein monatliches Einkommen – man muss sich um wenig kümmern." Der passionierte Comicsammler verkaufte auf Comicbörsen gelegentlich Hefte, lernte die Branche kennen und langsam änderte sich seine Einstellung. Das Hobby zum Beruf zu machen erschien plötzlich als valide Alternative. "Ich wollte mir nicht vorwerfen lassen, es nie probiert zu haben", sagt Lamprou.

Der Verkauf von teuren Sammlerobjekten hat dem Selbstständigen so manchen Monat in der Corona-Pandemie gerettet.
Foto: www.corn.at Heribert CORN

Aller Anfang ist schwer

Am 15. November 2018, also vor fast genau vier Jahren, startete das Abenteuer Comic-Shop. Ein paar davon gab es bereits in Wien, deshalb suchte sich Lamprou eine Nische: Vintage. Sein Schwerpunkt sind seitdem Hefte, die kaum noch erhältlich sind, startend in den 1940er-Jahren. Das hat seinen Preis. Besonders gut erhaltene Hefte können zwischen 100 und 4000 Euro kosten. Gekauft werden solche Spezialausgaben ausschließlich von Sammlerinnen und Sammlern. Im Sommer besuchte beispielsweise eine Familie aus Saudi-Arabien den Shop. Die junge Tochter war im Wien-Urlaub auf der Suche nach einem bestimmten Heft und fand Lamprous Laden dank einer kurzen Internetrecherche.

Solche Käufe sind tatsächlich Gold wert, gibt der Comicliebhaber zu. In der Pandemie musste er immer wieder zusperren und verlor so viel Laufkundschaft. Die Stammkunden allein, die ihm weiterhin die Treue hielten, waren zu wenig, um die entfallenden Einnahmen zu kompensieren. Lamprou musste Hefte aus dem Privatbesitz verkaufen und auf finanzielle Reserven zurückgreifen, um zu überleben.

Der Verkauf einer besonders teuren Ausgabe rettete ihm so manchen Monat. Auch die Entscheidung, nicht an einer belebten Einkaufsstraße Unmengen an Miete zu zahlen, ließ den Laden bestehen. "Ich bin kein Comictreff, der auf Laufkundschaft angewiesen ist, mein Standort war sehr wohl überlegt." Für seine Kunden gut erreichbar sei er trotzdem.

Aktuell provoziert die Rohstoffkrise hohe Papierpreise und stockende Lieferketten.
Foto: www.corn.at Heribert CORN

Steigende Preise

Die aktuelle Inflation trifft auch die Comicbranche hart ?– und natürlich auch die Händler. Lamprou musste bereits im Mai die Preise anheben. Sowohl Papier als auch Merchandise sind in den vergangenen Monaten für den Selbstständigen im Einkauf spürbar teurer geworden. Diese Anstiege muss er an seine Kunden weitergeben. Seinen Vintage-Schwerpunkt trifft das Gott sei Dank nicht, aber den Kauf beliebter Sammelbände überlegt er zunehmend. "Bei solchen Anstiegen kannst du mit großen Online-Händlern eigentlich nicht mehr mithalten. Da fragst du dich bei jedem Heft: Lohnt sich die Bestellung wirklich noch?"

Auch die Verfügbarkeit sei in den vergangenen Wochen ein großes Problem geworden. Manche Hefte verschieben sich im Wochenrhythmus immer weiter nach hinten. Bei Bestellungen, sagt Lamprou, könne er daher derzeit nichts versprechen. Auch das schadet dem Geschäft.

Gedruckt wird trotzdem weiter wie verrückt, sagt der Comic-Enthusiast. Bei kleineren Verlagen seien Kürzungen spürbar, etwa in Form von abgesagten zweiten Auflagen. Aber noch immer werde zu viel gedruckt, um alles lesen zu können. Von populären Charakteren wie Batman gäbe es manchmal zehn Serien gleichzeitig. Das würden weder Händler noch Leserinnen verstehen. Hier gäbe es wohl das größte Einsparungspotenzial, sagt er.

Trotz all der Schwierigkeiten und anhaltenden Sorgenfalten hat sich Lamprou den Spaß an der Sache erhalten können. "Wenn ich Comiclieferungen bekomme, dann fiebere ich diesen entgegen, als wären sie für mich persönlich." Dazu schätze er den Kontakt mit Leuten, die dieselbe Passion teilen. Das würde er gegen keinen Job der Welt eintauschen wollen. (Alexander Amon, 20.12.2022)