Dieser Tage feiert Markus Wallner sein zwölftes Jahr als Landeshauptmann. Dass er das kann, daran zweifelten dieses Jahr einige.

Foto: www.corn.at Heribert CORN

Ein paar Minuten lang war er Geschichte: In den Morgenstunden des 22. Juni berichtete die Tageszeitung "Die Presse", der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner trete zurück. Die Wirtschaftsbund-Affäre, die bundesweite Auswirkungen hatte, Korruptionsermittlungen gegen ihn persönlich, zuletzt sogar Buhrufe beim Besuch eines Fußballspiels – der ÖVP-Politiker erlebte die bis dahin härtesten Wochen seiner politischen Karriere, das merkte man ihm an.

Doch Wallner wollte nicht gehen, und so hieß es am 22. Juni nicht Rücktritt, sondern Rückzug. All jene, die dachten, dieser sei ein Rücktritt auf Raten, belehrte Wallner eines Besseren. Seit September ist er zurück und zeigt Profil: Aktuell führt er etwa die Verhandlungen zum Finanzausgleich. Die Steuerprüfung beim Wirtschaftsbund ist nach acht Monaten abgeschlossen, nach langer Suche sind auch Nachfolger für die Teilorganisation gefunden. Es wurden neue Regeln auf den Weg gebracht, die das Vertrauen in eine "saubere" Politik wiederherstellen sollen. Und der aus Wallners Sicht größte Erfolg: Die Korruptionsermittlungen gegen ihn dürften vor der Einstellung stehen.

Hat Wallner also sein Annus horribilis tatsächlich unbeschadet überstanden? Sitzt er gar fester denn je in seinem Sattel?

Wallner in der Opferrolle

Es gibt mehrere Antworten auf diese Frage. Denn noch ist nicht alles, was die Wirtschaftsbund-Affäre mit sich brachte, abgeschlossen: Die strafrechtlichen Folgen – es wird unter anderem wegen Abgabenhinterziehung, aber auch wegen Vorteilsnahme ermittelt – sind noch unklar. Gleichzeitig hat aber die Erzählung Wallners, er habe sich selbst dabei nichts zuschulden kommen lassen, vergangene Woche Rückenwind bekommen. Die Ermittler der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) sprachen zwar mit einem Mann, der ihnen als Verfasser der eidesstattlichen Erklärung genannt wurde, in der Wallner im Frühjahr 2022 Korruption unterstellt wurde. Der ehemalige Geschäftsführer der Firma Grass wies aber alles von sich. Und da die Vorarlberger Nachrichten die Identität des Verfassers nicht preisgeben, dürfte die Causa damit erledigt sein.

Markus Wallner steht dann nicht nur gestärkt, sondern auch als Opfer da, sagt die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle im Gespräch mit dem STANDARD. Und diese Karte wisse die ÖVP generell gekonnt auszuspielen. "Dabei gibt es für ihn als Parteichef eine Mitverantwortung für die schlampigen Zustände im Wirtschaftsbund – wenn auch nicht im strafrechtlichen Sinne".

Ein unverzichtbarer Landesvater

Wallner habe es aber in den vergangenen Monaten geschafft, sich als unverzichtbar darzustellen. Egal ob beim Finanzausgleich oder im Ausschuss der Regionen in Brüssel: Durch die Inszenierung als "Landesvater" habe er alles darangesetzt, seine Rolle für Vorarlberg zu stärken. Eine Art "Immunisierungsstrategie".

Dabei ist Wallner erst seit Mitte September zurück. So richtig fit sei er da noch nicht gewesen, sagen mehrere, die im Landhaus ein und aus gehen. Wallner machte weit weniger Termine, abends ist er viel seltener unterwegs. Während ihm das manche als Manko auslegen, betont Wallner es als Stärke: Er habe in seiner Pause gemerkt, wie wichtig es sei, sich auf das Wesentliche zu fokussieren.

Personalproblem bei der ÖVP

Durch seinen Rückzug wurde zunächst sichtbar, dass es in der Vorarlberger Volkspartei ein Nachfolgeproblem gibt: Niemand schien gewillt, in die Fußstapfen des 55-Jährigen zu treten. Alle betonten mantraartig ihre Loyalität. Aber mit der Zeit gewannen einige an Profil: Wirtschaftslandesrat Marco Tittler etwa, aber auch Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher. Als Nachfolger ins Spiel gebracht wurde auch Finanzminister Magnus Brunner immer wieder. Wallner, der dieser Tage sein zwölftes Jahr im Amt feiert, dürfte gemerkt haben: Länger kann er nicht pausieren, wenn er die ÖVP auch in die Landtagswahl 2024 führen will. Und das will er.

Allerdings: Auf Gemeindeebene ist einiges an Vertrauen verlorengegangen – auch schon vor der Wirtschaftsbund-Affäre. Die ÖVP verlor in den vergangenen Jahren einige Bürgermeister, zuletzt in Höchst. Als Heimatort von Altlandeschef Herbert Sausgruber und Magnus Brunner war das eine besonders bittere Niederlage. Der neue Ortschef ist nun ein Grüner. "Keine Sekunde hätten wir das gedacht", sagt einer von ihnen. Wallner klappert deswegen nun alle Ortschaften ab.

Beziehungskrise überstanden

Apropos Grüne: Die Zusammenarbeit mit dem Koalitionspartner hat sich nach der Pause verbessert. Wallner sei "bemüht und konstruktiv", auch bei schwierigen Materien, wie etwa zuletzt dem Budget, heißt es. Die Beziehung hatte zuvor ja schweren Schaden genommen, da der für IT zuständige grüne Landesrat Daniel Zadra die WKStA informierte, dass sich Wallner über die Datenlöschung auf seinen Geräten erkundigte. Aber weder die ÖVP noch die Grünen wollen Neuwahlen.

Die Opposition sieht das natürlich anders: Von einer Transparenzoffensive sei die "Wallner-ÖVP meilenweit entfernt", heißt es aus der FPÖ. Beim Parteienfinanzierungsgesetz ortet man in der SPÖ Umgehungskonstrukte. "Transparenz und die ÖVP gehen nach diesem Jahr für mich nicht mehr zusammen."

Ein Bruch mit Russmedia

Apropos schwieriges Verhältnis: Das gilt auch für jenes zwischen ÖVP und den VN. Hier gebe es regelrechten Hass aus Wallners Umfeld gegenüber Russmedia. Die Veröffentlichung der eidesstattlichen Erklärung wird als schweres Foul gesehen. Und die wahrscheinliche Ermittlungseinstellung dient hier als Untermauerung.

Wallner kommt also nicht nur gesundheitlich gestärkt aus seiner Pause zurück. Und doch: So ganz kann er das Jahr nicht abschütteln. Im November besuchte er wieder ein Fußballspiel. Und wieder: Buhrufe. Aber: Auf dem Post dazu auf seinem Instagram-Profil lacht Wallner in die Kamera. (Lara Hagen, Elisa Tomaselli, 20.12.2022)