Spuren der Gliederfüßer-Verwandten zeigen, dass manche Exemplare zwei Meter Körperlänge erreichten.
Foto: Emmanuel Martin

Das Leben auf der Erde dürfte sich aus dem Wasser entwickelt haben – und vor etwa zwei Milliarden Jahren könnten erstmals vielzellige Organismen entstanden sein. Bis sich makroskopisches Leben, das den heutigen Formen ähnelt, bildete, sollte es aber dauern. Mit der Kambrischen Explosion vor ungefähr 540 Millionen Jahren kam es offenbar innerhalb weniger Millionen Jahre zu einer beeindruckenden Vielfalt, mit der erstmals Tiere mit fester Körperhülle entstanden – darunter entfernte Verwandte heutiger Gliederfüßer.

Nicht ganz so alt, aber bemerkenswert lang sind Funde von tausendfüßerartigen Tieren, die seit 470 Millionen Jahren im Boden Marokkos verborgen waren. Ein internationales Team von Wissenschafterinnen und Wissenschaftern unter der Leitung von Forschenden der Universität Lausanne (Unil) gelang die paläontologisch bahnbrechende Entdeckung dort an einer neuen Fossilienfundstelle.

Aktive Schwimmer

Die Ausgrabungen wurden im marokkanischen Taichoute durchgeführt, schrieb die Unil am Dienstag in einer Mitteilung. Die versteinerten Tiere dürften zu Lebzeiten durch das Meer geschwommen sein, wie das Forschungsteam im Fachblatt "Scientific Reports" ausführt.

Bei den Grabungen seien zahlreiche Fossilien von riesigen Gliederfüßern gefunden worden – Verwandte von modernen Tieren wie Tausendfüßern, Insekten und Spinnen. Die gefundenen Arten machten dem Forschungsteam zufolge zu ihrer Lebzeit fast 50 Prozent aller Spezies der Fundstätte von Taichoute aus. Sie zeichneten sich dadurch aus, dass sie "aktive Schwimmer" waren und bis zu zwei Meter lang werden konnten.

Einzigartige Rolle

Die gefundenen Gliederfüßer sind noch nicht vollständig identifiziert. Bei einigen könnte es sich um bekannte Arten handeln, andere seien mit Sicherheit bisher noch unbekannt. Ihre Größe und die Fähigkeit zu schwimmen legen nahe, dass sie eine einzigartige Rolle in diesen Ökosystemen gespielt haben, hieß es in der Mitteilung.

In einer relativ nahe gelegenen Fundstelle – die zur Fezouata-Formation gehört – waren bereits zuvor Fossilien von Gliederfüßern entdeckt worden. Diese machten jedoch nur ein bis zwei Prozent der Artenvielfalt aus, und sie lebten in einem flachen Meer. In Taichoute befanden sich die Fossilien in Sedimenten, die einige Millionen Jahre jünger sind und durch Unterwasserlawinen in eine relativ tiefe Meeresumgebung transportiert wurden.

An einigen Fragmenten der tausendfüßerartigen Tiere entdeckte das Team Reste von Armfüßern, die Muscheln ähnlich sehen. Dies deute darauf hin, dass die großen Panzer der Gliederfüßer "als Nährstoffspeicher für die am Meeresboden lebende Gemeinschaft dienten, sobald sie tot auf dem Meeresboden lagen", sagt Allison Daley von der Universität Lausanne. (red, APA, 20.12.2022)