Eine argentinische Frauenorganisation startete Ende des Jahres einen Versuch, bei dem Profi-Gamer ihre Stimme verstellten und so wie Frauen klangen. Die Reaktionen der Mitspieler waren erschütternd.

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Es war ein turbulentes Spielejahr, sowohl was die Games selbst betrifft als auch wirtschaftlich. War die angekündigte Übernahme von Activision Blizzard durch Microsoft der mit Sicherheit größte Paukenschlag, so waren auch zahlreiche Crunch-Horrorstorys, Russland-Sanktionen und natürlich das Ende von Google im Games-Bereich prominente Negativschlagzeilen.

Für alle, die das Spielejahr nicht mit Argusaugen verfolgt haben, hier eine kurze Auflistung und Beschreibung der größten Skandale, Aufreger und Pleiten der bunten Games-Branche im Jahr 2022.

Microsoft übernimmt Activision Blizzard

Am 18. Jänner ging ein Aufschrei durch die Games-Branche. Soft- und Hardwarehersteller Microsoft kündigte an, einen der größten Games-Publisher der Welt kaufen zu wollen: Activision Blizzard. Mit Spielen wie "Call of Duty", "World of Warcraft" und "Diablo", aber auch Mobile-Games wie "Candy Crush" gehört der US-Publisher zu den erfolgreichsten und einflussreichsten Games-Herstellern der Welt. Für 68,7 Milliarden Dollar sollte nun Microsoft neuer Eigentümer dieser großen Marken werden, was einen starken Wettbewerbsvorteil speziell gegenüber dem größten Rivalen im Konsolengeschäft, Sony, bedeuten würde.

Genau dieser Wettbewerbsvorteil, genauer gesagt die Angst vor einem Monopol in der Branche, verzögert nun diese Übernahme schon seit mehreren Monaten. Obwohl Microsoft zahlreiche Beispiele dafür nennt, kommende Spiele aus seinem Haus nicht exklusiv anbieten zu wollen, sehen die US-Behörden in Form der FTC die Gefahr, dass der Kaufrausch des US-Herstellers den Markt ins Ungleichgewicht befördern könnte. So bleibt weiterhin ein Fragezeichen hinter dem Deal, das Microsoft wohl noch ein paar weitere Monate beschäftigen wird.

Seit 2004 begeistert das Online-Rollenspiel "World of Warcraft" Millionen Spieler und ist damit trotzdem nur eine von vielen Stellen, die den Erfolg von Activision Blizzard ausmachen.
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Google sperrt Games-Studios und Stadia

Viel Zeit hat Google seinen internen Studios nicht gegeben. Nach wenigen Jahren schloss man 2022, ohne ein Spiel veröffentlicht zu haben, die Pforten der Entwickler, die man zuvor aufgebaut hatte. Auch der Streamingdienst Stadia kam nie in die Gänge, Anfang 2023 wird der Service endgültig eingestellt. Wer die Szene länger begleitet, weiß, dass Firmen wie Microsoft an die zehn Jahre gebraucht haben, bis sie wirklich Fuß fassen konnten. Auch Amazon arbeitet schon seit vielen Jahren an seinem Plan, ein Bein in die Games-Branche zu bekommen, und nimmt dafür auch Rückschläge in Kauf, ohne sich beirren zu lassen.

Google sieht sich offenbar nicht als Teil dieser Unterhaltungsbranche. Einen zweiten Versuch werden wir von dem US-Konzern wohl nicht erleben.

Branchen-Urgestein Phil Harrison wollte mit Stadia den Google-Konzern von seiner Gaming-Strategie überzeugen – und ist damit gescheitert.
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Netflix gründet eigenes Spielestudio

Im Gegensatz zu Google versucht sich Netflix sehr wohl im Games-Business. Hat man über das Jahr verteilt immer mehr Spiele in die Netflix-App geschoben, gründete der US-Konzern im September offiziell sein erstes Studio. Eigenproduktionen sollen dann wohl in jedem Fall auf der eigenen Plattform, aber vielleicht auch auf anderen veröffentlicht werden. Prominente Manager aus der Branche hat man dazu bereits einfliegen lassen, allerdings hatte das Google auch gemacht. Man muss abwarten, ob das Studio in Helsinki tatsächlich schon nächstes Jahr zumindest veröffentlicht, woran man denn gerade arbeitet.

Netflix kann auf zahlreiche starke Lizenzen zugreifen, die sich auch als Spiel gut vermarkten lassen.
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Crunch: Insider reden über unbezahlte Überstunden

Unbezahlte Überstunden und Ausbeutung der Mitarbeiter: Diese Missstände wurden in den letzten Jahren oftmals in der Games-Branche aufgedeckt. Eine große Aufdeckergeschichte, die viele Ex-Mitarbeiterinnen zu Wort kommen ließ, schoss scharf auf den österreichischen Entwickler Moon Studios, der mit seinen zwei "Ori"-Games international Erfolge feiern konnte. Aufwühlende Geschichten schilderten sehr bildhaft, mit welchen Mitteln offenbar große Spiele geschaffen werden.

Auch der STANDARD fragte in der Branche nach und erfuhr ebenfalls von schlechten Arbeitsbedingungen, die sich offenbar weltweit etabliert haben. Eine Schattenseite, der sich die Branche hoffentlich irgendwann entschlossen stellen wird.

Sexismus und Hass im Netz

Auch die Games-Branche musste sich 2022 den Themen Sexismus und Hass im Netz stellen. Drohungen, Beleidigungen und Dickpics sorgten auch dieses Jahr wieder für zahlreiche Negativschlagzeilen. Ein prominentes Beispiel war "Return to Monkey Island", das wegen seines neuen Grafikstils von zahlreichen "Fans" einen Shitstorm erleben musste. Auch Mitarbeiterinnen von "God of War Ragnarök" mussten sich sexistische Beleidigungen aus dem Netz anhören.

Eine Aktion einer argentinischen Frauenorganisation zeigte zudem sehr eindrucksvoll, was sich Mädchen und Frauen online in Games noch immer an sexistischen Kommentaren anhören müssen. Auch hier wartet noch ein weiter Weg auf die Branche, Verbesserungen zu erzwingen.

Spielehersteller ziehen sich aus Russland zurück

Die Games-Branche zeigte sich zum Start des Krieges in Europa solidarisch mit der Ukraine. Teilweise wurden Spiele in Russland nicht mehr verkauft, die Bezahlung in Rubel eingeschränkt und Spendenaktionen für die Ukraine ins Leben gerufen. Außerdem halfen viele Spielestudios, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Ukraine hatten, diese bei einer gewünschten Ausreise zu unterstützen. Nach zahlreichen Aktionen im Frühjahr wurde es danach allerdings still bezüglich Support-Aktionen oder weiteren Boykotts.

Playstation-Plus-Premium-Wirrwarr

Alle haben damit gerechnet, dass Sony dieses Jahr große Geschütze gegen den Xbox Game Pass auffährt. Geworden ist es im Juni ein eher durchwachsenes Angebot mit drei Kategorien, bei denen allesamt die aktuellen Sony-Titel fehlen. Dennoch konnte der japanische Tech-Konzern den Umsatz in diesem Jahr mit seinem Abo-Service erhöhen, obwohl rund zwei Millionen Nutzerinnen und Nutzer weggebrochen sind.

Der Playstation-Marke hat das zumindest in diesem Jahr nicht geschadet. Mit "Gran Turismo 7", "Horizon: Forbidden West" und "God of War Ragnarök" hatte man drei starke Exklusivtitel, die sich auch als Vollpreisspiele millionenfach verkauft haben. Wenn Sony diese Dichte an erfolgreichen Blockbuster-Games auch 2023 fortsetzen kann, dann muss es sich auch in den nächsten Monaten nicht wegen einer Stärkung seiner Premium-Abos stressen.

"GTA 6"-Leak

Es war der größte Leak der Games-Geschichte: Im Netz tauchten im September Videos des kommenden Blockbuster-Spiels "GTA 6" auf, und Rockstar war "not amused". Offenbar wurde das Material vom Entwicklerstudio gestohlen und dann zu Teilen veröffentlicht. Neben Videos wurden auch Teile des Source-Codes veröffentlicht, was Cheatern zum Start des Spiels Tür und Tor öffnen würden. Somit ist wahrscheinlich, dass dieser Leak das Release-Datum des Spiels noch weiter nach hinten schiebt. Eigentlich hatten viele Fans schon gehofft, spätestens 2024 die langersehnte Fortsetzung in Händen halten zu können. Nach diesem Leak scheint dies unwahrscheinlich.

NFTs gegen die Wand gelaufen

Während die Non-fungible Tokens (NFTs) in anderen Bereichen zumindest kurzfristig Erfolge feiern konnten, biss sich die Branche an der neuen Technologie die Zähne aus. Besser gesagt an den Spielerinnen und Spielern, die diverse Pläne, NFTs in Spiele einzubauen, mit Shitstorms kommentierten. Manche Entwickler sind bereits zurückgerudert, andere reden nicht mehr darüber. Dennoch, Electronic Arts, Square Enix und andere haben ihre Motivation, NFTs zu nutzen, klar formuliert. Ähnlich wie Lootboxen, Free-2-Play und andere zunächst ungewollte Features werden deshalb wohl auch NFTs irgendwann breiter in Spielen vertreten sein – oder auch nicht.

Noch nie etwas von NFTs gehört? Dann am besten diesen und diesen Artikel dazu lesen.

Hersteller Ubisoft wollte NFTs in Form von limitierten digitalen Waffen und Ausrüstungen in Spiele einführen.
Foto: Ubisoft

"Fifa" heißt nicht mehr "Fifa"

Für Verwirrung hat im Mai die Ankündigung gesorgt, dass das Spiel "Fifa" nächstes Jahr "EA Sports FC" heißen wird. Als Grund wurde eine fehlende Einigung mit dem Fußballverband Fifa genannt, der mehr Geld für die Verlängerung der seit zehn Jahren bestehenden Zusammenarbeit verlangt haben soll. Welche inhaltlichen Änderungen die Namensänderung mit sich bringen wird, wollte Spielehersteller Electronic Arts noch nicht verraten.

Die Fifa hat ihrerseits eigene Fußballspiele angekündigt und wollte sogar noch zur Fußball-WM in diesem Jahr ein Game präsentieren. Daraus ist allerdings nichts geworden. Offenbar hat man den Aufwand einer Spieleproduktion unterschätzt. Man darf gespannt sein, wie die Fußballstory nächstes Jahr weitergeht. (Alexander Amon, 21.12.2022)