Das Parlament ist kein Ort des Vertrauens: Eine Mehrheit der österreichischen Bevölkerung hält Politikerinnen und Politiker für korrupt und bestechlich.

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Die Erkenntnis mag nur mäßig überraschen. Eine am Dienstag veröffentlichte Langzeitstudie gießt die Wahrnehmung vieler nun aber in gut vergleichbare Zahlen: Das Image der Politik hat sich über die vergangenen Jahrzehnte stark verschlechtert – und mit ihm auch das Vertrauen der Bevölkerung in die Kompetenzen von Politikerinnen und Politikern.

So stimmten der Aussage, Politiker würden ihre Sache im Großen und Ganzen nicht gut machen, im Jahr 1981 nur 30 Prozent der Befragten zu. Im heurigen Sommer waren es dagegen 64 Prozent. Dass Politikerinnen und Politiker korrupt und bestechlich sind, glaubten 1981 nur 38 Prozent, heuer aber ebenfalls 64 Prozent der Befragten.

Österreich habe sich über die vergangenen fünf Jahrzehnte von einer "vertrauensvollen Untertanenkultur" zu einer politischen Kultur "misstrauisch-kritischer Staatsbürgerinnen und Staatsbürger" entwickelt, lautet das Fazit der Studienautoren und Meinungsforscher Peter Ulram und Peter Hajek.

Politik "zog sich in Schmollwinkel zurück"

Die beiden Politologen haben auf Basis repräsentativer Umfragen von 1974 bis 2022 das Verhältnis zwischen Bürgerinnen und Bürgern und der Politik nachgezeichnet. Die aktuellen Zahlen beruhen auf einer repräsentativen Befragung im Juli 2022 mit 800 Telefon- und Online-Interviews (Schwankungsbreite plus/minus 3,5 Prozent). Die Vergleichszahlen aus früheren Jahrzehnten stammen aus dem Archiv von Meinungsforscher Ulram. Großteils wurden die Umfragen telefonisch oder persönlich für das GfK-Institut durchgeführt. Dabei handle es sich um Eigenstudien ohne externen Auftraggeber, wurde betont.

Während das Vertrauen in die Politik im Erhebungszeitraum stark sank, stieg die Einschätzung der eigenen Kompetenz, politische Vorgänge bewerten zu können, allerdings stark an. Während sich 1989 nur 38 Prozent für ausreichend qualifiziert hielten, um am politischen Geschehen teilnehmen zu können, tun das heute 60 Prozent. 65 Prozent glauben heute zudem, einen guten Einblick in die wichtigsten Probleme des Landes zu haben. 1993 lag dieser Wert noch bei 53 Prozent.

Diese Entwicklungen führen die Politikwissenschafter nicht zuletzt auf die "Bildungsexplosion" der 1970er-Jahre und das Aufkommen einer Medienlandschaft jenseits der Parteizeitungen zurück. Bürgerinnen und Bürger hätten sich vor diesem Hintergrund "selbst auf Augenhöhe mit den politischen Eliten erhoben", sagte Hajek bei der Vorstellung der Studie. Die politische Kaste habe diese Entwicklung erst zeitverzögert realisiert. "Überspitzt formuliert, zog sich die Politik in einen Schmollwinkel zurück", sagte Ulram. Man habe sich vom Souverän nicht mehr wertgeschätzt gefühlt.

"Demokratie nicht gefährdet"

Im Gegensatz zu manch anderen Politikstudien der vergangenen Jahre, in denen abnehmende Zustimmung zur Demokratie bei gleichzeitiger Zunahme autoritärer Einstellungen in der Bevölkerung konstatiert wurde, lesen Hajek und Ulram das aus ihrer Erhebung nicht heraus. So blieb die Zahl der Menschen, die einer Diktatur nicht abgeneigt wären, seit den 1990ern stets stabil zwischen neun und zwölf Prozent. Die Demokratie sieht Hajek daher nicht gefährdet und rät: "Fürchtet euch nicht."

Um dem gestiegenen Misstrauen der Bevölkerung in die Politik entgegenzuwirken, rät der Politologe dieser vor allem zu mehr Transparenz. Geheime Sideletter zu Koalitionsverträgen sollten demnach der Vergangenheit angehören: "So etwas geht nicht mehr." Stattdessen empfiehlt Hajek etwa, Hearings für die Vergabe öffentlicher Posten zu etablieren. (Martin Tschiderer, 20.12.2022)