Unermessliches Leid: Die US-Sängerin Mariah Carey ist nicht die alleinige "Queen of Christmas".

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Vor Weihnachten werden jedes Jahr unzählige Briefe ans Christkind geschrieben – inklusive angehängter Wunschlisten. Das mühsame Bravsein soll sich unterm Weihnachtsbaum endlich rechnen, so ist es Tradition.

Selbst ein Superstar wie Mariah Carey hat wieder einen Brief ans Christkind geschrieben, im Frühjahr schon, doch ihr Wunsch wurde nun ausgerechnet in der Vorweihnachtszeit abschlägig behandelt. Was ist da los? War die so prächtig katholisch Mariah Gerufene böse? Hat sie gegen ihre selbstgestellte Auflage verstoßen, sich nur noch 750 Paar Schuhe pro Jahr zu kaufen?

Vielleicht hätte sie ihren Brief nicht vom Anwalt verfassen und zustellen lassen sollen, nur so eine Vermutung aus der Ferne. Doch genau das hat die US-amerikanische Fünf-Oktaven-Sängerin getan. Mariah Careys Brief war auch weniger ein Wunsch als vielmehr eine Vollzugsforderung. Ihr Begehr lautete vollkommen unbescheiden, ihr allein stünde der Titel "Queen of Christmas" zu, und das wollte sie rechtlich absichern lassen.

Übermütig

Aber so geht man mit dem Christkind nicht um, auch nicht mit Santa Claus. Dementsprechend hat das den beiden verpflichtete US-Patent- und Markenamt mehrere diesbezügliche Anträge Careys mit negativem Bescheid abgewiesen. Wie viele Schuhe da zum Trost wieder angeschafft werden mussten, ist nicht überliefert.

Das Motiv ihres Ansinnens ist schnöder Mammon. Schließlich gilt ihr 1994 veröffentlichtes Album Merry Christmas als eines der erfolgreichsten Weihnachtsalben. Über 15 Millionen Mal wurde es weltweit bislang verkauft, in der Vorweihnachtszeit erklimmt diese Sammlung von zehn Songs traditionell die Charts, ihr Lied All I Want for Christmas Is You ist aktuell auf Platz eins der US-Billboard-Charts. Und das 28 Jahre nach seinem Erscheinen, da kann man bezüglich der eigenen Bedeutung natürlich ein bisschen übermütig werden und sich ein Krönchen aufsetzen wollen. Aber nicht.

Errötendes Christkind

Die Adelung von Popkünstlerinnen und Stars hat Tradition. Elvis Presley wurde als König des Rock ’n’ Roll ausgelobt – was ihm stets unangenehm war. Aretha Franklin wurde Queen of Soul genannt. Und man muss sagen, wer, wenn nicht sie? Madonna gilt als Queen of Pop, Michael Jackson galt als dessen König; und trotzdem wollte man nicht mit ihm tauschen.

Doch all diese Titel kamen vonseiten des Publikums, der Kritik. Niemand insistierte darauf, sich selbst einen zu verleihen. Außer Carey. Das mutet nicht demütig oder edelmütig an, eher im Gegenteil. Derlei royale Erhabenheit auch noch auf dem Rechtsweg erstreiten wollen, das kann man gar nicht hinschreiben, wie man das findet, da würde das Christkind glatt erröten. Da ging es anderen Künstlerinnen genauso. Allen voran Elizabeth Chan.

Zwölf Monate Weihnachten

Als Carey 2021 erste rechtliche Schritte einleiten ließ, um zu diesem Titel zu kommen, wurde Chan hellhörig. Chan ist eine Weihnachtslied-Künstlerin. Die singt nur Weihnachtslieder. Ja, das gibt’s. Chan hat heuer ihr zwölftes Weihnachtsalbum veröffentlicht 12 Month of Christmas. Sie empfand das monopolistische Ansinnen Careys als unangemessen, zumal sie selbst eine Verbindung zu dem von Carey begehrten Titel hat. Chans Arbeit ist ihre Mission.

Elizabeth Chan wehrte sich gegen Mariah Careys Anmaßung, sich den Titel "Queen of Christmas" schützen zu lassen.
Foto: E. Chan

Sie will Menschen zu Weihnachten zusammenbringen. Dafür nennen sie ihre Fans, man ahnt es, "Queen of Christmas". Wobei Chan darauf nicht insistiert, wenngleich sie die Zuschreibung als Auszeichnung empfindet. Aber Chan meint, Weihnachten sollte aufs Geben ausgerichtet sein, nicht aufs Nehmen, wie sie es bei Carey vermutet. "Es wäre falsch gewesen, wenn sich eine Einzelperson zum Zwecke der Kommerzialisierung so einen Spitznamen schützen lassen könnte", sagte sie in einem Statement nach dem Urteil.

"Länger als Carey auf der Welt ist"

Und noch jemand befand sich in Opposition zu Carey: Darlene Love. Die heute 81-Jährige war Sängerin in der legendären Girl-Group The Crystals und nahm 1963 mit deren Produzenten Phil Spector das Weihnachtsalbum A Christmas Gift for You from Philles Records auf.

Das darauf befindliche Lied Christmas (Baby Please Come Home) ist ein populärer Weihnachts-Standard, Love hat es jahrelang im Advent in der Late Show von David Letterman gesungen. Auch sie gilt dem Publikum als eine "Queen of Christmas". Und zwar eine, die das schon war, als Carey noch gar nicht auf der Welt war, wie sie ihr genussvoll ausrichten ließ. (Karl Fluch, 21.12.2022)