Wenn weiße Menschen Emojis mit schwarzer Hautfarbe posten, kann das einen bitteren Beigeschmack haben.

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Michael Jackson, wie er im Kino Popcorn isst, Talkmasterin Oprah Winfrey, die aus dem Staunen nicht mehr herauskommt, oder Neil Tyson, wie er sprachlos die Hände in die Höhe hält: Manchmal sagt ein GIF mehr, als in eine Textnachricht passt – und ebendiese scheinen besonders häufig People of Color abzubilden. Kritikerinnen bezeichnen dies als "digitales Blackfacing".

Von "digitalem Blackfacing" ist dann die Rede, wenn weiße Menschen Emojis, GIFs oder Memes von People of Color nutzen, um online ihre Emotionen auszudrücken. "Es scheint, als bevorzugten weiße und nichtschwarze User gerade dann GIFs schwarzer Menschen, wenn es um das Ausdrücken besonders übertriebener Emotionen geht", schreibt Lauren Michele Jackson, Professorin an der Northwestern-Universität in Illinois, USA, in ihrem Artikel für die "TeenVogue" im Jahr 2017. Während die einen einen harmlosen Spaß in der Nutzung der GIFs sehen, befürchten andere, dass dadurch rassistische Stereotype verstärkt werden.

Laut der Plattform Giphy verschicken Userinnen mehr als zehn Milliarden GIFs täglich. Dies demonstriert deutlich, welche Relevanz den kleinen Bewegtbildern in unserer alltäglichen Kommunikation zukommt – und welch drastische Auswirkungen es haben kann, wenn diese diskriminierende Stereotype bedienen.

"Es geht um die Ausbeutung schwarzer Emotionen"

"Digitales Blackfacing hat viele Ebenen – bei allen geht es um die Ausbeutung oder Nutzung von schwarzen Emotionen, Gefühlen und Ausdrucksformen", so beschreibt es Camila Schmid, Aktivistin und Anti-Rassismus-Expertin. Wie immer, wenn es um das Thema Rassismus gehe, sei auch im Falle von digitalem Blackfacing der historische Kontext besonders zu berücksichtigen, so Schmid.

Besagter historischer Kontext meint die sogenannten "Minstrel Shows", die ihre Blütezeit rund um 1850 hatten. Dabei handelte es sich um theaterähnliche Performances, welche vor allem in den USA als Publikumsmagnet galten. Weiße Darsteller inszenierten sich mit einfältiger Mimik und törichter Körpersprache als schwarze Menschen. Mit geschwärzten Gesichtern, auffällig hervorgehobenen Lippen und bunten Kostümen diente das Verhöhnen von People of Color dem Amüsement des vorwiegend weißen Publikums. Dies reproduzierte bestehende Stereotype, die schwarze Menschen als "faul, ignorant, abergläubisch, hypersexuell und anfällig für Diebstahl und Feigheit" skizzierten, und sorgte dafür, dass diese sich weiter verfestigten.

Doch auch in Europa fand die Darstellungsform Anklang: Die britische BBC strahlte bis ins Jahr 1978 eine Sendung namens "The Black and White Minstrel Show" aus und befeuerte rassistische Stereotype somit weit über deren Zenit hinaus.

Als Apple im Jahr 2015 seine vormals ausschließlich weißen/gelben Emojis in diversen Hautfarben präsentierte, war der Jubel groß. Doch schnell fanden ebendiese Emojis, genutzt von weißen Usern, in Hass-Postings gegen People of Color Verwendung. Auch wenn die Verwendung schwarzer Emojis nicht per se rassistisch ist, so hat es doch einen fahlen Beigeschmack, wenn eine weiße Person mit schwarzen "Thumbs Up" auf eine Nachricht reagiert.

Wiederkehrende Stereotype über People of Color

Die Stereotypisierung schwarzer Menschen ist also keinesfalls ein neues Phänomen, nur zeigt sie sich nun eben auch digital. GIFs und Memes entstehen auf Basis von Bewegtbildern wie Filmen, Serien und Videos beziehungsweise deren Ausschnitten. Das Problem: Die Schlüsselpositionen bei der Entstehung dieser Medien – etwa Regie und Produktion – sind nach wie vor meist von weißen Menschen besetzt. Dies beeinflusst die Art und Weise, wie People of Color medial dargestellt werden, und wirkt sich schlussendlich auf die Wahrnehmung von People of Color (PoC) in der Gesellschaft aus. Bezugnehmend auf die afroamerikanische Autorin Toni Morrison wird dies auch als "White Gaze" bezeichnet.

Eine Analyse der Deutschen Welle aus dem Jahr 2019 zeigte, dass schwarze Frauen in der Regel als "laut und frech", schwarze Männer jedoch eher als "angsteinflößend oder wütend" dargestellt werden. Diese Tendenz lässt sich auch anhand von GIFs und Memes feststellen. Ein bekanntes Beispiel für diese klischeebehaftete Darstellung schwarzer Frauen ist das "Aint nobody got time for that"-GIF aus dem Jahr 2012.

Als im April 2012 ein Feuer in einem Hochhaus in Oklahoma, USA, ausbricht, ist ein TV-Team vor Ort, um Anwohnerinnen zu dem Vorfall zu interviewen. Die Interviewpartner, eine schwarze Anwohnerin mit dem Namen Sweet Brown, erklärt, dass sie aufgewacht sei und sich über den Geruch gewundert habe. Als sie begriff, was los war, sei sie sofort aus der Wohnung und hätte sich nicht einmal Schuhe angezogen, weil "ain´t nobody got time for that", wenn es um Leben und Tod geht. Das Video zählt bis heute 3,3 Millionen Views, das GIF dazu ist online in zigfachen Versionen zu finden.

Niemand muss um sein Lieblingsmeme bangen

Dennoch müsse nun niemand um sein Lieblingsmeme bangen, erklärt Schmid. "Es geht nicht darum, Leuten etwas zu verbieten oder zu sagen, dass sie diese GIFs und Memes nicht mehr verwenden dürfen." Vielmehr wäre wichtig, dass die Userinnen bei der Nutzung kurz innehielten und darüber nachdenken, weshalb sie gerade dieses Emoji, GIF oder Meme benutzen und was sie damit ausdrücken wollten. "Man kann nicht pauschal sagen, dass etwas problematisch ist, es geht ganz einfach um das Hinterfragen und Achtsamsein – in welchen Situationen werden Memes von schwarzen Personen verwendet und wo benutze ich eher ein Katzen-GIF."

Klar ist: GIFs sind dazu gemacht, Emotionen zu transportieren, egal ob in Form einer erstaunten Oprah, eines tanzenden Rick Astley oder einer springenden Katze. Doch die Tatsache, dass People of Color nur dann überrepräsentiert sind, wenn sie zum Entertainment weißer Userinnen taugen, während es sonst an gesellschaftlicher Repräsentation mangelt, steht für sich. Wer das nächste Mal also via GIF oder Meme auf den Büro-Gossip reagiert, bedient sich statt der erstaunten Oprah vielleicht lieber einer noch erstaunteren Katze. (Johanna Pauls, 22.12.2022)