Der Getränkekarton ist die beliebteste Milchverpackungsform Österreichs.

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Die verschiedenen Milchverpackungen sind wohl noch vielen im Gedächtnis: Sei es die Glas- und Plastikflasche, der Tetraeder-förmige Karton oder vielleicht auch die Milch im Sackerl. Mittlerweile ist der viereckige Getränkekarton Österreichs beliebteste Milchverpackungsart. Wer heute im Supermarkt Milch kauft, findet diese im Regelfall in einem Giebelkarton – benannt nach dem Giebeldach. Wie DER STANDARD berichtete, haben die Getränkekartons seit kurzem auch angebundene Verschlusskappen – was aufgrund der unpraktischen Handhabung für einige Kritik sorgt. Durch diese EU-Richtlinie erhofft man sich mehr Recycling. Auch die Glas-Mehrwegflasche ist seit ein paar Jahren wieder im Supermarkt zurück.

Die wohl bekannteste Form der Milchverpackung in Österreich ist der Giebelkarton.
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Getränkekarton erhält 1915 erstes Patent

Ob Erinnerung oder Film: Auch in Österreich gab es für lange Zeit den bekannten Milchmann, der zunächst Kannen und später auch Glasflaschen füllte. Letztere konnten sich früh auf dem Markt etablieren und blieben auch lange die Hauptverpackungsart. Dabei gab es bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts die ersten Patente für Lebensmittelverpackungen aus Karton. Entwickelt wurden diese in erster Linie, um eine billigere, leichtere und praktischere Alternative zum zerbrechlichen und unpraktisch zu transportierenden Glas zu bieten.

1915 ließ John Van Wormer in den USA seinen gefalteten Papiermilchkarton, den er "paper bottle" oder auf Deutsch Papierflasche nannte, patentieren. Der Geschichte nach habe der Spielzeugfabrikant eine Kartonalternative erfunden, weil ihm eine Glasmilchflasche herunterfiel. Bereits 1930 wurde Milch in seine mit Wachs beschichteten Kartons abgefüllt. Zusammengefaltet wurden sie an die Molkereien geliefert, anschließend befüllt und verschlossen – eine Wiederverwendung fand nicht statt.

Um den Karton wasserfest zu machen, wurde Wachs verwendet, heute ist es Polyethylen.
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Durchbruch in Österreich Mitte der 50er-Jahre

Als erster Europäer machte sich Günter Meyer-Jagenberg ans Werk, wasserdichte Getränkekartons zu produzieren. Er ließ 1930 die "Perga-Packung", welche die erste flexible Verpackung des Kontinents wurde, patentieren. Heute zählt sie zu den Vorläuferinnen der weltweit erfolgreichen Verpackungssysteme. Zum Massenprodukt wurden die Getränkekartons – insbesondere die Giebelkartons – jedoch erst nach dem Zweiten Weltkrieg.

Mitte der 50er-Jahre galt die Einführung der Verbundverpackung für Getränke aus Karton und Plastik in Österreich als große Errungenschaft. Der Aufbau einer Verbundverpackung bei Milch oder Ähnlichem besteht im Regelfall aus einer Polyethylen-Karton-Polyethylen-Schicht. Für Inhalte, die länger haltbar sein sollen, kommt zusätzlich noch eine Aluminiumschicht dazu. Die ersten Verbundverpackungen hatten die Form eines Tetraeders, erst später eine rechteckige Form.

Der erste Getränkekarton der Firma Tetra Pak hatte die Form eines Tetraeders und wurde damit zum Trendsetter.
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Die wohl bekannteste Firma und mittlerweile Synonym für den Getränkekarton Tetra Pak feierte etwa Anfang der 50er-Jahre ihren Durchbruch mit den kleinen Tetraeder-förmigen Kartons.

Keine Chance für den Milchschlauch

Während die Kartonverpackungen ihren großen Durchbruch feiern konnten, schaffte es der Milchschlauch nie, sich hierzulande zu etablieren. Dabei wollten insbesondere die Molkereien in den 60ern die Schlauchverpackungen auf dem Markt durchbringen, da sie leichter und billiger waren. Milch schwappte aber oft sowohl beim Öffnen als auch beim Einschenken daneben. In den 90ern verschwanden sie dann praktisch vom Markt.

Heute ist der Milchschlauch unter anderem noch in verschiedenen Ländern Afrikas verbreitet.
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Ob durch Reißen oder Schneiden: Auch der Getränkekarton war nicht immer leicht aufzubekommen. Oft war das Öffnen umständlich, bei zu viel Gewalt wurde mitunter der gesamte Karton aufgerissen. Eine wesentliche Erleichterung kam durch Plastik-Drehverschlüsse, mit denen offene Milchbehälter auch wieder verschlossen werden konnten. Fast alle Milch-Getränkekartons in Österreich haben heute einen Schraubverschluss oder eine Form der Ausgießhilfe, etwa zum Aufklappen.

Kommt ein Comeback der Glasflaschen?

Die Mehrweg-Milchflasche wurde für den breitflächigen Verkauf in Supermarktketten zwar in den 90ern eingestellt, aber ist seit 2020 – nach 30-jähriger Pause – wieder zurückgekommen. Ob die Glasmilchflasche die Getränkekartons wieder ersetzen wird, sei laut Georg Matyk, Geschäftsführer des Vereins Getränkekarton Austria, unwahrscheinlich. Dafür habe der Tetrapak gegenüber der Glasflasche zu viele Vorteile.

Vor dem Milchkarton hatte lange Zeit die Glasmilchflasche den höchsten Marktanteil.
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Der Getränkekarton erfahre zwar leichte Verluste an die Mehrwegflasche, aber der Anteil an Milchkartons sei weiterhin stabil. Bei Verpackungen liege der Marktanteil von Getränkekartons bei Milch bei über 85 Prozent, so Matyk. Das heißt, sechs von sieben Litern Milch werden im Getränkekarton verkauft. Zuwächse gibt es bei Milchalternativen, etwa Hafer-, Mandel- und Sojamilch. Laut Matyk dominiert der Getränkekarton bei Milch schon seit mehr als zwei Jahrzehnten. Außerdem sei er knapp vor der Glas-Mehrwegflasche die CO₂-freundlichste Milchverpackung.

Eines ist klar: Getränkekartons sind gekommen, um zu bleiben. Grund dafür sind die vielen Vorteile, etwa die Haltbarkeit, der Produktionsschutz oder das höhere Transportvolumen. (Pauline Severin, 21.12.2022)