Eine Arbeit, in der John Baldessari einst auf die Pogromnacht 1938 in Graz Bezug nahm.

Foto: Neue Galerie Graz/Baldessari

Fake. Das englische Wort ist in den letzten Jahren plötzlich zu einem geworden, das auch im Deutschen besonders gerne als Schimpfwort oder zwecks des vermeintlichen Decouvrierens einer kleinen oder großen Verschwörung über die Lippen rutscht. Der Ausruf "Fake-News!" wurde auch zum Kampfruf all jener, die selbst empirische Wissenschaft einfach rundheraus ablehnen und so jeden Diskurs vergiften.

Im Rahmen des letzten Steirischen Herbstes haben sich sechs verschiedene Ausstellungen unter dem Sammeltitel "Kunst der Verführung" mit absichtlichen, offensichtlichen, gefälligen und raffinierten Fälschungen oder Manipulationen und ihrer Wandlung im Spannungsfeld von Grafikdesign, Kunst und Medien beschäftigt. Drei von ihnen sind noch zu sehen und einen Besuch während der anbrechenden Feiertage wert.

"Faking the Real"

Die große Schau "Faking the Real" im Grazer Kunsthaus ist eine spannende, facettenreiche Zusammenstellung aus Bildern, Videos, Installationen und Werbesujets von den 1970ern bis heute, an der man auch ablesen kann, wo sich Kunst und Werbung wechselseitig in den letzten Dekaden beeinflusst haben.

Jochen Traar spielt mit dem Logo einer Supermarktkette.
Foto: Jochen Traar

Unter den Arbeiten der Ausstellung, die von Katrin Bucher Trantow und Sabine Kienzer kuratiert wurde, finden sich jene internationaler Größen, wie des vor zwei Jahren verstorbenen Kaliforniers John Baldessari, der schon in den 1970ern über das Forum Stadtpark nach Graz kam und von dem eine Arbeit über die Pogromnacht in Graz 1938 zu sehen ist, oder seiner Landsfrau Cindy Sherman sowie eine ikonische schwarz-weiße Sprach-Arbeit von Christopher Wool: "FUCK EM IF THEY CANT TAKE A JOKE". Mit dabei ist auch das deutsche Zentrum für Politische Schönheit, ein Paradebeispiel für das Spiel mit Sein und Schein, für Kunst und radikalen Aktivismus. Und auch lokale Künstler wie Michael Schuster mit seinem Einkaufswagen, in dem die Warnung "Protect me from what I want" aufleuchtet, oder der nachgestellte tote Lenin des Reenactment-Experten-Duos G.R.A.M. sind in der blauen Blase zu sehen.

Glaubenspropaganda

Sehenswert ist auch die Ausstellung "De propaganda fides", kuratiert von Johannes Rauchenberger im Kultum bei den Minoriten, die in die Geschichte der Werbung der katholischen Kirche in der Steiermark blickt. Dabei ist der Titel der Ausstellung ein Kirchenslogan aus dem Barock, doch die erstaunlich progressiven und selbstkritischen Plakate, die hier in den 1970ern nach Kirchenreform und gesellschaftlichen Veränderungen riefen, wirken selbst 40 bis 50 Jahre später modern und auf eine gute Art provokant.

Wie sehr sich sowohl politische Wahlplakate als auch die Werbung veränderte, kann man derweil im Graz-Museum bei einer exquisiten Auswahl für die Ausstellung "Graz Plakat 1920–1955" beobachten. (Colette M. Schmidt, 23.12.2022)