Die Britin Naomie Ackie gibt im Stationendrama "I Wanna Dance With Somebody" Whitney Houston. Der Gesang im Film kommt vom Original.

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Jede Passionsgeschichte endet tragisch. Allerdings wird den Hinterbliebenen mittels einer verheißenen Himmelfahrt der im Tod erlösten Seele eine frohe Botschaft verkündet. Whitney Houston, so werden wir im Biopic I Wanna Dance with Somebody über das Leben des einstigen US-Über-Popstars Whitney Houston erfahren, wollte "mit den Göttern singen". Allerdings brach beim Aufstieg zum Olymp schließlich die Leiter zusammen. Die Britin Naomi Ackie mimt das im Vollplayback recht brav.

Houstons einsamer Drogentod 2012 ist nur das Finale einer langen Missbrauchsgeschichte, in der die unbedarfte Ausnahmesängerin mit drei Oktaven Stimmumfang so gut wie von jeder Person in ihrem Umfeld ausgenutzt wurde.

Das mit 146 Minuten streng chronologisch und mit Dauerbeschallung ihrer seit 30 Jahren totgespielten größten Hits wie The Greatest Love of All oder One Moment in Time reichlich ermüdend gestaltete Drama hätte reichlich Stoff für ein Sittenbild des Showbusiness des späten 20. Jahrhunderts geben können. Das bigotte System unterzog damals zwecks Publikums- und Gewinnmaximierung neben Michael Jackson oder Mariah Carey auch sehr schnell die Afroamerikanerin Whitney Houston einer Wandlung zum "Oreo"-Keks, wie es im Film heißt: Außen schwarz, innen weiß. Und auch die Liebesbeziehung mit ihrer Freundin und Assistentin Robyn Crawford wird geflissentlich verschwiegen.

Sony Pictures Entertainment

Allerdings beschränken sich Regisseurin Kasi Lemmons und der dank des oberflächlichen Freddie-Mercury-Biopics Bohemian Rhapsody gut in die Materie eingearbeitete Drehbuchautor Anthony McCarten darauf, diese Problematik nur kurz anzureißen, aber keinesfalls zu vertiefen. Bloß niemanden verstören. Wir schreiben das Jahr 2022.

Produziert hat den Film Clive Davis. Der Musikmanager entdeckte Whitney Houston 1983. Und der heute 90-Jährige produzierte jetzt auch dieses ohne besondere künstlerische Ambitionen als antiquierter MTV-Videoclip abgedrehte Musical aus dem Stadttheater. Dargestellt vom unterforderten Stanley Tucci kuschelt sich Davis darin als guter Hirte und Ersatzvater durch die hölzerne Handlung.

Weltumarmung und Himmelfahrt

Das sieht man im Film jetzt leider nicht: Mit Millionendollarproduktionen und unter Verwendung dutzender monatelang mühsam im Studio zusammengeschnipselter Gesangsspuren für ihre von hochklassigen Komponisten und Komponistinnen wie Dolly Parton maßgeschneiderten, technisch herausfordernden Weltumarmungs- und Himmelfahrtsballaden macht Clive Davis Houston zur "Jahrhundertstimme".

Er versucht angeblich auch, Houston immer wieder vor ihrem Umfeld zu retten: der Eislaufmutter, dem ihr Vermögen verprassenden Manager-Vater, dem Hausdealer und schließlich dem bösen Ehemann, R'n'B-Sänger und Tänzer Bobby Brown. Den heiratet sie aus Sehnsucht nach einer heteronormativen Familie, obwohl sie eigentlich lesbisch ist. Die Marketingabteilung der Plattenfirma hat damit natürlich nichts zu tun.

Alle wollen ihr Geld. Der Druck und die Drogen werden härter. Die Stimme bricht. Sie wird auf desaströse Tourneen gejagt. Die Karriere ist am Ende. Auch Neuanfänge mit zeitgenössischerer R'n'B-Musik helfen nicht. 2012 die Überdosis, sie ertrinkt in einer Badewanne. Nach Houstons Tod verhundertfachen sich ihre CD-Verkäufe. Bis heute hat sie über 200 Millionen Tonträger verkauft. So ist das. (Christian Schachinger, 23.12.2022)