Die ÖVP hat in Niederösterreich offenbar Bürgermeister, die von der Parteilinie stark abweichen – wie Andreas Neuwirth (Mitte)

Foto: Chris Lehneis

Es ist ein betulicher Ort im Waldviertel, der exemplarisch für Niederösterreich stehen könnte: knapp 1.000 Einwohner, Buschenschanken, ein schönes Schloss und natürlich ÖVP-Dominanz im Gemeinderat. Doch der eigene Bürgermeister sieht Droß im Waldviertel eher als gallisches Dorf, das gegen die böse Welt da draußen kämpft. Zumindest teilt Andreas Neuwirth in der Droßer Gemeindezeitung in Leitartikeln eine merkwürdige Sicht auf die Welt, die konträr zu jener seiner eigenen Partei, der ÖVP, steht.

So schreibt Neuwirth in der aktuellen Ausgabe, dass die USA den Ukraine-Krieg initiiert hätten. Die Bemühungen der Regierung, Flüssigerdgas (LNG) aus Abu Dhabi zu importieren, hält er für "keine sinnvolle Lösung". Es brauche "wieder Idealisten vom alten Schlag, die (...) sich nicht einem gut bezahlten System scheinbar kritiklos unterwerfen", schreibt Neuwirth. Und: "Bestimmte Kreise" würden von "Waffenlieferungen" profitieren, damit sollten für sie "die finanziellen Einbrüche in der Pharmaindustrie offensichtlich kompensiert werden".

"Spezielle Impfung"

Stichwort Pandemie: Auch hier hat Neuwirth viel Schelte für seine eigene Partei, die er zwar nicht erwähnt, die aber die von ihm kritisierten Entscheidungen getroffen oder mitgetragen hat. So schrieb er in der Sommerausgabe von "Droß aktuell", dass die Bevölkerung "vom ORF, diversen sozialen Medien und den meisten Printmedien völlig verunsichert" worden sei. "Wir wurden mit allen erdenklichen Drohungen unter Druck gesetzt" und bei Lockdowns "eingesperrt". Der "einzige Gewinner" laut dem Bürgermeister: "Die Pharmaindustrie mit dieser speziellen Impfung". "Mündige Bürger" hätten sich gegen die Impfpflicht gewehrt – notabene ein Vorschlag schwarzer Kanzler und Landeshauptleute.

ÖVP will reden

Neuwirth ist nicht irgendwer, sondern mit der ÖVP und der schwarz dominierten Landespolitik eng verbunden: Zwei Jahrzehnte lang war er "Abteilungsleiter im Amt der niederösterreichischen Landesregierung", außerdem "Obmann der größten Dienststellenpersonalvertretung mit insgesamt 3.750 Mitgliedern". Bürgermeister in Droß ist er seit 18 Jahren. Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner habe ihm angesichts seiner Pensionierung als Beamter 2021 "volle Unterstützung unserer Gemeinde" zugesagt.

Und jetzt? Für die ÖVP Niederösterreich finden sich im Droßer Gemeindeblatt "Aussagen, die man so natürlich nicht stehen lassen kann". Man werde "sofort das Gespräch mit dem Bürgermeister suchen". Neuwirth selbst war für eine Anfrage nicht erreichbar. (Fabian Schmid, 22.12.2022)