Ballermänner: DJ Robin und Schürze. Ihr Lied "Layla" war manchen heuer ein unüberwindbarer Prüfstein.

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Layla ist ein schönes Lied. Eine über sieben Minuten ausufernde Liebesgeschichte, mit einer melancholischen Coda, in der sich das Klavier und die Slidegitarre in süßer Innigkeit umtanzen. Es stammt aus dem Jahr 1970 und ist von Derek & the Dominos, der damaligen Band von Eric Clapton. Dieses Layla ist unumstritten.

Ein anderes Layla machte heuer Schlagzeilen. Es stammt vom deutschen Duo DJ Robin und Schürze und ist ein Ballermann-Hit. Mehr braucht man eigentlich nicht zu wissen. Es ist einfach gebaut, noch nach drei Kübeln Getränk kann man auf Resthirn mitsingen. Das ist die Anforderung.

Als sexistisch eingestuft

Doch das Lied wurde als sexistisch eingestuft. Wobei, ohne näher darauf eingehen zu wollen, die Allerweltsbegriffe "schöner, jünger, geiler" schon im Wortschatz der meisten Zwölfjährigen vorkommen. Doch als Zuschreibung für eine "Puffmama", der das sonst gerne ins Treffen geführte Empowerment nicht zugestanden wurde, erregten sie die Gemüter. An der Stelle sei noch kurz daran erinnert, dass sich die heimische Band Wanda nach der 2004 gestorbenen Zuhälterin Wanda Kuchwalek benannt hat, was nie jemandem aufgestoßen ist.

Jahresbestseller "Layla"

Doch im Verein mit Ballermann war klar, das hat verwerflich zu sein. Unten auf Malle, im trüben Vergnügungsghetto konnte man wenig dagegen tun, daheim schon. Die Stadt Würzburg wollte nicht, dass das Lied bei seinem Stadtfest gespielt wird, es untersagte seine Aufführung. Da gingen im Sommer die Wogen hoch.

So sehr, dass es jetzt amtlich ist: Layla von DJ Robin und Schürze ist das erfolgreichste Lied des Jahres in Deutschland. Über 143 Millionen Mal wurde es bisher gestreamt. Leider zu Recht.

Das Lied mag akustischer Müll und inhaltlich grenzwertig sein. Doch die Diskussion darüber stellte den meisten daran Beteiligten auch kein gutes Zeugnis aus. Die Aufregung um Layla steht exemplarisch dafür, wie vermeintliche Debatten heute zu oft geführt werden. Es sind Grabenkämpfe. Stellungskriege zwischen verhärteten Fronten, an denen es keine Bewegung gibt. Da die Woken, dort die alten weißen Männer.

Vorhersehbares Säbelrasseln

Schon diese Nomenklatur verrät, dass da kein echter Diskurs zustande kommen kann. Die Verwendung kontaminierter Modewörter als Argumentationsersatz ergibt nichts weiter als ein vorhersehbares Säbelrasseln an den bekannten Trennlinien: Diffamierungen statt Argumente. Dabei wären Debatten wichtig. Im besten Fall helfen sie, die eigenen Standpunkte zu reflektieren, sie mit anderen Sichtweisen abzugleichen. Hält meine Meinung? Hat der andere nicht auch recht? Doch die Zeit nimmt sich kaum jemand.

Mit konfessionellem Eifer wird da gefordert, dort mit demselben Furor verweigert. Ein Verbot, wie es über Layla schwebte, ist dann Öl ins Feuer. Da zeigt sich, wie es um aufgeklärte liberale Gesellschaften steht. So wurde das Lied zum Prüfstein, ob es eine Toleranz jenseits der eigenen Meinung gibt – und viele stolperten, den Schaum vorm Mund.

Gefühl gegen Fakten

Ausgestattet mit dem Privileg der Meinungsfreiheit wird jene Andersdenkender in Abrede gestellt, oft mit Shitstorm und Boykott als begleitender Folklore. Gefühle stechen Fakten aus, akzeptiert wird lediglich, was einen bestätigt. Nur – so kommt man nicht zusammen; so rückt der grüne Zweig in unerreichbare Höhe.

Verbote, Dogmen und Schwarz-Weiß-Denken unterstützen keine Überzeugungsarbeit, sie fördern Trotz. Das bestätigt uns jedes Kind – und der Erfolg von Layla. Klar gibt es Dinge, bei denen das Gesetz Linien ziehen muss, aber die Rede ist von nichtigen Anlässen, wie dieses Lied einer ist.

Zu den Privilegien einer freien Gesellschaft gehört jenes, sich intellektuell unterfordern zu dürfen. Deshalb müssen wir Layla aushalten. Es geht ja wieder weg. Aber man soll Menschen, die es hören, dazu tanzen, nicht verurteilen und ihren Schöpfern nichts absprechen, was von der Freiheit der Kunst, und sei diese im Resultat noch so bescheiden, abgesichert ist.

Christliche Praxis versuchen

Alle Menschen sind gut und schlecht. Man kann Porno schauen und eine gute Mutter sein, man kann Blutfilme genießen und ein guter Lehrer sein, am Sonntag die Zeitung fladern und am Montag ein Leben retten.

Weihnachten, um das Schmalzfass zu öffnen, könnte als Anlass herhalten, sich in solchen Dingen zu hinterfragen. Muss man mit Kanonen auf blonde Dreadlocks schießen? Ist das als Winnetou verkleidete Burli ein Kulturpirat? Und seine Eltern Kolonialisten, weil sie das zulassen? Sind wir nur mit uns selbst großzügig? Sollten wir uns nicht besser hin und wieder einer christlichen Praxis schuldig machen und auf Vergebung setzen? Nachsicht üben und mit Milde versuchen zu überzeugen, statt mit Regelwerk zu bestimmen?

Im Zweifel sollte gelten: lieber liberal deppert als illiberal anständig gemacht. Damit wäre allen geholfen und DJ Robin ein paar Millionen Mal weniger gestreamt worden. Und man käme am Ende des Jahres nicht in Verlegenheit, so einen Schund verteidigen zu müssen. Es gibt so schöne Lieder da draußen. Und eines davon heißt tatsächlich Layla. (Karl Fluch, 27.12.2022)