Harry Potter und seine Zauberwelt: Im Frühjahr ist die Ausstellung in den USA gestartet, in Wien hat sie Europapremiere.

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Die Experiences schießen in Wien-Donaustadt aus dem Boden: Van Goghs Sternennacht ist noch nicht von der Fassade der Metastadt abgebaut, da hat im Inneren Harry Potter Stellung bezogen. Nicht der Zug auf Bahngleis 9 3/4, sondern die Bahnlinie S80 bringt einen in dieses Zauberreich an der Station Erzherzog-Karl-Straße.

Die Magie steckt dort in einem Chip an einem Armband, mit dem man sich einloggt und der im Ausstellungsparcours die Interaktionen startet. Man kann etwa seinen Namen im ersten Raum, von dem aus der Hogwarts Express videoanimiert zur Zauberschule abfährt, auf der Karte des Herumtreibers suchen. Die Peitschende Weide, Dementoren, das fliegende Auto begleiten die Fahrt. In der Ahnengalerie zwinkern einem jene Porträtierten zu, die auf Bildschirmen in den Rahmen stecken werden. Über allem dröhnt der Filmsoundtrack.

Geschmalzene Preise

Die Ausstellung aus den USA hat in Wien Europapremiere und soll bis März 2023 laufen. Hundert Menschen dürfen gleichzeitig hinein, die Weihnachtsferien sind ausgebucht. Dabei ist der Eintritt mit 32,40 Euro (Normalpreis) und 77,40 Euro (VIP-Ticket) geschmalzen. Ist man aber pünktlich während seines Timeslots eingetreten, darf man so lange verweilen, wie man will. Offen ist von neun bis 23 Uhr, und das in den kommenden Wochen täglich.

Eineinhalb Stunden kann ein Durchgang dauern. Zum einen, weil die Originalrequisiten mit reichlich Text unterfüttert sind. Einen Gutteil machen dabei Kostüme aus, in deren Beipacktexten man etwa erfährt, warum sie so aussehen, wie sie aussehen. Warum Draco Malfoy weißblondes Haar hat? Darum! Täfelchen neben Zauberstäben wiederum erläutern deren Materialeigenschaften. Wer kein Hardcorefan ist, wird das wohl nicht alles lesen.

Doch selbst dann kommt man, will man sich nicht auf Rangeleien mit dem übrigen Publikum um die Poleposition an den Interaktivstationen einlassen, in 60 Minuten nicht durch. Im zweiten Raum kann man sich videoanimiert den die Neulinge ihren Häusern zuteilenden sprechenden Hut aufsetzen.

Etwas Geschichte

Man kann, indem man mit den Fingern auf Touchscreens Zauberstabschwünge nachfährt, zaubern oder einen Patronus beschwören. Mit Tapsern auf einem anderen Screen und ein bisschen Blättern in einem Zaubertrankbuch kann man einen Trank nachbrauen. Das ist, zugegeben, nicht allzu spektakulär. Als Belohnung erhält man aber Punkte für sein Haus und sieht einen Filmausschnitt, in dem Spruch oder Trank vorkommen.

1997 ist der erste Band von Harry Potter auf den Markt gekommen. Seither sind sechs weitere sowie einige Ableger erschienen, Joanne K. Rowling hat rund 500 Millionen Bücher verkauft. 2001 lief der erste Film in den Kinos an. Menschen, die die Bücher gelesen haben, sind ja prinzipiell oft enttäuscht von deren Verfilmungen. Wie geht es also Menschen, die die Verfilmungen gesehen haben, mit so einer auf die Filme heruntergebrochenen Schau?

Erstellt hat sie in Zusammenarbeit mit Warner Brothers, wo die Filmrechte liegen, die Firma Imagine Exhibitions. Die TV-Serie Downton Abbey oder das Renaissancegenie Da Vinci hat das Unternehmen schon in Parcours gegossen, in Los Angeles gibt es seit Oktober einen zur Titanic. Jährlich zähle man Millionen Besucher, sagt die Website.

Abgehängt statt schwebend

Man bemerkt in Harry Potter – Die Ausstellung Liebe zu Details und Einfallsreichtum. Dolores Umbridges pink-lilafarbenes Büro, Hagrids verraucht riechende Hütte mit Riesenmöbeln, quietschende Alraunen, die man in Kräuterkunde aus Töpfen ziehen soll – die Entdeckungen nehmen kein Ende. Besser sind sie dabei dort, wo nicht Gigantisches ins Mickrige transformiert wurde.

Kärglich erscheinen etwa die zwei gedeckten Tische, die eine Videoanimation des Hogwarts’schen Speisesaales ("Große Halle") in die physische Realität der Ausstellung hinein verlängern sollen. An der Decke funzeln statt unzähliger schwebender bloß einige an Schnüren abgehängte Kerzen. Der Zauber hält sich in Grenzen, wo Fantasie und Fantastik in wie Steinmauern bemalte Sperrholzwände übergehen.

Reizend zeigt sich wieder das Wahrsagereizimmer mit den tuchbehängten Tischchen und Hockern auf einem Boden aus schweren Teppichen von Professor Trelawney. In Harrys Kammer unter der Treppe im Haus der Dursleys kann man sich gar kuscheln. Noch immer ist der Zauberer bei jungen Lesern beliebt, Gealterte schwelgen gern in Erinnerungen. Nun ja. Als Hommage mit einigen Ahs und Ohs funktioniert die Schau. Für wirkliche Verzauberung hält man sich besser an die Bücher und Filme. (Michael Wurmitzer, 27.12.2022)