Die Gesellschaft Ukrainischer Jugend hat in dem Forschungsprojekt "Interactive Ukrainian Vienna" die Spuren von Ukrainerinnen und Ukrainern in Österreich nachgezeichnet. Eine Auswahl:

Iwan Franko

Mit Victor Adler im Central

Café Central um 1900.
Foto: Imago

Der 1856 geborene galizisch-österreichische Schriftsteller, Journalist und Übersetzer gilt als Symbolfigur der ukrainischen Identität und Nationalität. Um die Jahrhundertwende promovierte er in Wien. Er war mit Victor Adler, Gründer der Sozialdemokratischen Partei, befreundet und saß mit diesem oftmals im Traditionskaffeehaus Café Central.

Franko pflegte enge Beziehungen zu führenden jüdischen Intellektuellen, er bediente sich allerdings in seinen Werken antisemitischer Klischees. Neben zwei Ehrentafeln wurde ihm auch ein Denkmal neben der St.-Barbara-Kirche gewidmet.

Andriy Hnatyschyn

Der Musiker und die Kirche

Die Barbarakirche in der Innenstadt wird gerade renoviert.
Foto: Christian Fischer

Der Theologe aus Lemberg ging 1931 nach Wien, um am Konservatorium Musik zu studieren. Andriy Hnatyschyn blieb in der österreichischen Hauptstadt und übernahm hier die Leitung des Kirchenchors in der St.-Barbara-Kirche in der Innenstadt – die Funktion hatte er 64 Jahre lang inne. Die Barbarakirche gilt als die älteste ukrainische Kirche außerhalb der Ukraine. Sie hat sich heute zudem zu einem zentralen Ort der Zusammenkunft der Diaspora entwickelt, hier politisiert man und organisiert Hilfsgüter für die kriegsgeschundene Heimat.

Der Dirigent und Komponist, dem eine Gedenktafel an der Außenseite der Kirche in der Postgasse gewidmet ist, hat mit dem Kirchenchor Konzerte im In- und Ausland gegeben, er trat zudem im ORF-Radio und -Fernsehen auf. Und Hnatyschyn war maßgeblich daran beteiligt, über 300 ukrainische kirchliche und säkulare Musikwerke aufzunehmen, die als "Wiener Gottesdienst" bekannt sind.

Georg Franz Kolschitzky

Kurier und Kaffeehändler

Bild nicht mehr verfügbar.

Kolschitzky erhielt für seine Verdienste eine Kaffeehauslizenz.
Foto: Getty Images

Georg Franz Kolschitzky stammt aus dem heutigen Lemberger Gebiet. Er war Kosake, Kaufmann und Übersetzer (Rumänisch und Türkisch). Berühmt wurde er durch seine Leistung als Kurier während der Belagerung Wiens durch die Türken 1683. Kolschitzky erhielt als Dank ein Grundstück, später auch eine Wohnung. Er durfte zudem die von den Türken zurückgelassenen Kaffeebohnen behalten und hat der Legende nach das erste Kaffeehaus gegründet – was inzwischen als widerlegt gilt. Ihm wurden eine Straße in Wien-Wieden und ein Denkmal auf dem Leopoldsberg gewidmet.

Ivan Puluj

Bedeutender Physiker

Briefmarke zum 150. Geburtstag des Physikers Ivan Puluj.
Foto: Interactive Ukrainian Vienna

Ivan Puluj war Physiker und Elektrotechniker ukrainischer Abstammung, geboren wurde er in Galizien, damals Kronland der Monarchie Österreich-Ungarn. Er war Assistent und Privatdozent an der Universität Wien und legte mit der Entwicklung einer Lampe eine wichtige Grundlage für die Entdeckung der Röntgenstrahlung. Es gibt Stimmen, wonach Puluj der eigentliche Entdecker ebendieser war. 1916 wurde ihm der Posten des österreichisch-ungarischen Bildungsministers angeboten, was er aus gesundheitlichen Gründen ablehnte. Eine Gedenktafel im achten Bezirk erinnert an ihn.

Andriy Razumovsky

Diplomat und Musikfreund

Die Rasumofskygasse (deutsche Schreibweise) in Wien-Landstraße.
Foto: Christian Fischer

Der Sohn des letzten Hetmans, oberster Feldherr im Herrschaftsgebiet der ukrainischen Kosaken, war um 1800 als Gesandter am Wiener Hof, Musikmäzen und Kunstsammler. Er war mit bedeutenden Komponisten seiner Zeit befreundet. Ludwig van Beethoven widmete ihm Quartette und Sinfonien. Er ließ das nach ihm benannte Palais im dritten Wiener Bezirk – in der ihm gewidmeten Straße – erbauen. Es brannte ab, sein Nachfahre, der Berater und Analyst Gregor Razumovsky, betreibt heute in einem anderen Palais Razumovsky einen Salon, in dem Events stattfinden.

Iwan Horbachewskyi

Erster Gesundheitsminister

Horbachewskyi, Chemiker und erster Gesundheitsminister.
Foto: Interactive Ukrainian Vienna

Der ukrainische Chemiker wurde 1909 zum Mitglied des Herrenhauses des kaiserlichen Parlaments ernannt und 1918 zum Minister für Volksgesundheit – und damit zum ersten Gesundheitsminister in ganz Europa. Nach Auflösung der Monarchie wurde er in der damaligen Tschechoslowakei als Universitätsprofessor pensioniert. 1923 dann wurde er Direktor der Ukrainischen Freien Universität, einer von Exil-Ukrainern 1921 in Wien gegründeten privaten Hochschule. Sie übersiedelte dann nach Prag und anschließend nach München.

Wiener Ringhotels

Erste Botschaft im Bristol

Eine Gedenktafel im Bristol erinnert an die erste diplomatische Mission.
Foto: Christian Fischer

Im Jahr 1919, als Russland schon einmal die Ukraine angegriffen hat, strandeten die meisten Flüchtlinge am heute nicht mehr existierenden Nordbahnhof im zweiten Wiener Gemeindebezirk. 50.000 Ukrainerinnen und Ukrainer kamen damals an. Zahlreiche Menschen wurden in den pompösen Hotels entlang des Rings einquartiert: im Imperial, im De France, im Bristol. Viele zogen später weiter. Im Hotel Bristol entstand auch die erste diplomatische ukrainische Mission – eine 2018 enthüllte Gedenktafel erinnert daran. Der erste ukrainische Botschafter war Vyacheslav Lypynskyi.

Er setzte sich dafür ein, dass der ukrainische Chor des Dirigenten Oleksander Koshits auf seiner Konzertreise auch Halt in Wien machte. Der Chor war zentral für die kulturelle Diplomatie der Ukraine. Das Volkslied Schtschedryk, das heute weltweit als Carol of the Bells bekannt ist, wurde zum Symbol für den Kampf für die ukrainische Unabhängigkeit.

Ukrainischer Ball

Tanzen und Spenden

Im Februar 2024 soll der Ukrainische Ball zum sechsten Mal in der österreichischen Hauptstadt stattfinden, Veranstaltungsort ist das Palais Ferstel. Organisiert wird er von der Gesellschaft Ukrainischer Jugend, ein Verein mit Sitz in Wien, der unterschiedliche Projekte im Bereich Bildung und Kultur organisiert. Der Ukrainische Ball ist eine wohltätige Veranstaltung: Jedes Jahr werden zwei Regionen im Osten und Westen der Ukraine ausgesucht, an die die bei dem Ball gesammelten Geldsummen geschickt werden. Die Spenden gehen an sozial gefährdete sowie beeinträchtigte Kinder. (Anna Giulia Fink, MITARBEIT: Lidiia Akryshora, Maryna Myntsykovska, 28.12.2022)