Das Justizministerium bemüht sich mit bundesweiten Kampagnen um neues Personal für die Justizanstalten.

Foto: imago images/Elmar Gubisch

Die heimische Justizwache ist seit Jahren unterbesetzt – eine Folge des Personalmangels wie in vielen anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes. Der Betrieb in den Gefängnissen lässt sich daher nur mit tausenden Überstunden aufrechterhalten. Das verschlechtert nicht nur die generellen Haftbedingungen für die aktuell rund 8.100 Insassen österreichischer Justizanstalten – es erschwert auch die Resozialisierung der Häftlinge, wie das Ö1-"Morgenjournal" berichtet. Die eigentlich angestrebte Senkung der Rückfallquote bei Menschen, die aus der Haft entlassen werden, und die Wiederintegration in die Gesellschaft leiden.

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DER STANDARD

Mit mehr als 8.000 inhaftierten Personen sind Österreichs Gefängnisse bereits zu 95 Prozent ausgelastet. Rechne man den akuten Personalmangel in der Justizwache hinzu, seien sie allerdings bereits überfüllt, sagt Kriminalsoziologin Veronika Hofinger von der Uni Innsbruck dem "Morgenjournal". Kürzlich sei sie auf Besuch in einer Anstalt gewesen, in der der Nachtdienst aufgrund der zu dünnen Personaldecke bereits um 14.30 Uhr beginnt. Bereits ab dem frühen Nachmittag seien die Häftlinge damit praktisch sich selbst überlassen, und "für die Resozialisierung wird eigentlich nichts mehr getan", so die Expertin.

Ausweitung der elektronischen Fußfessel

Betriebe und Werkstätten, in denen die inhaftierten Personen arbeiten sollen, können dementsprechend oft nicht mehr betreut werden und bleiben geschlossen. Dass damit eine zentrale Beschäftigung und Resozialisierungsmaßnahme für die Insassinnen und Insassen wegfalle, habe beträchtliche Folgen, erklärt Hofinger. Sitze man fast nur noch in der Zelle, stauten sich Frust und Aggression, die Gewaltbereitschaft steige. Um die Resozialisierung und damit die Sicherheit in der Gesellschaft zu verebessern, müsste man daher massiv ins Personal in den Gefängnissen investieren.

Zur Verbesserung der Situation gehöre aber auch die Reduktion der Haftzahlen, sagt Hofinger. Maßnahmen wie die elektronische Fußfessel seien dafür zentral und sollten laut der Kriminalsoziologin auf einen größeren Personenkreis ausgeweitet werden – ein Vorhaben, das die türkis-grüne Koalition bei ihrem Antritt auch ins Regierungsprogramm aufgenommen hat. "Die Fußfessel ist für die Resozialisierung sehr gut, weil die Menschen in ihrem sozialen Umfeld bleiben", argumentiert die Expertin.

Laut Justizministerium werde eine Gesetzesnovelle für die Reformierung des Strafvollzugs aktuell erarbeitet. Auch um mehr Personal für die Justizanstalten bemühe man sich seit Monaten, unter anderem mit bundesweiten Kampagnen. Zudem gebe es mehr Geld für den Strafvollzug, im kommenden Jahr etwa zusätzliche 113 Millionen Euro. Hofinger hält diese Beträge allerdings nicht für ausreichend, um die Lage in den Gefängnissen zu verbessern. (tschi, 29.12.2022)